EUROFACETTEN: Kronprinz vieler Nationen
■ Serbiens Prinz Alexander steht über Nationalismus
Die Repräsentanten einer nationalistischen Partei Serbiens haben mich gebeten, an den Wahlen in Serbien teilzunehmen. Ich habe dies abgelehnt, weil ich als Kronprinz die Interessen aller Nationen Jugoslawiens repräsentiere und nicht nur die einer Nation.“ Dieses Statement von Prinz Alexander, der im Londoner Exil lebende Kronprinz von Jugoslawien, enthält alle Konflikte der jugoslawischen Politik: Wie kann in diesem Vielvölkerstaat eine gemeinsame politische Repräsentanz entstehen?
Die Karadordevic-Dynastie ist serbischen Ursprungs. Aber der liberale Gründer des jugoslawischen Staates, König Peter I., nannte seinen Staat 1918: „Das Königreich der Slowenen, Kroaten und Serben.“ Um die Definition unanfechtbar zu machen, hätte er allerdings die Mazedonier, Ungarn, die Montenegriner, Deutschen, Türken, die Roma, Muslimanen und Albaner hinzufügen müssen. Der König, der in seiner Freizeit den Essay on Liberty von John Stuart Mill übersetzte, erkannte an, daß die Freiheit seiner „Nation“ nur durch die Freiheit der einzelnen Nationen garantiert werden konnte.
Wenn dieses Konzept durchgehalten worden wäre, hätte sich die Monarchie vielleicht als haltbar erwiesen. Aber sein Sohn AlexanderI. setzte die Monarchie aufs Spiel, indem er das Königreich in „Jugoslawien“ umbenannte. Jugoslawien wurde zu einem unitaristischen Konzept: Zum Königreich der Südslawen. Es schloß nicht nur die Nichtslawen aus, sondern formte die Basis für eine einheitliche „Jugoslawische Nation“.
Das neue Konzept führte sofort zu Konsequenzen. Schon 1920 schränkte der König die Freiheiten ein, in dem er die Kommunistische Partei verbot und die Rolle der parlamentarischen Institutionen beschränkte. Als er 1929 das Parlament abschaffte, machte er Jugoslawien zu einer Diktatur. Die Folge dieser Politik war das Anwachsen des Nationalismus.
Alexander wurde 1934 in Marseille durch einen mazedonischen Nationalisten erschossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der kommunistischen Machtübernahme machte sich Tito die Spannung zwischen Zentralstaat und den einzelnen Nationen zunutze. Er revidierte sowohl Peters als auch Alexanders Modell: Jugoslawien wurde unter Tito zu einem zentralistischen Staat der verschiedenen slawischen Nationen, in dem die Nichtslawen einen Minderheitenstatus erhielten und der von dem Diktator zusammengehalten wurde. Tito schlüpfte in die Schuhe — und die Schlösser — der Könige und etablierte sich als eine allen Teilen verpflichtete Institution. Fast klappte es. Aber er vergaß, für einen Nachfolger in dieser Funktion zu sorgen. Auch der Kronprinz ist bisher ein König ohne Nation in einem Land mit vielen kopflosen Nationen geblieben. Ervin Hladnik-Milharcic
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