EU schneller als Monopolisten

Die Ministerpräsidenten zittern vor Europa: Weil Brüssel das Wettmonopol ins Visier nimmt, steht der Glücksspielstaatsvertrag auf der Kippe. NRW-Regierung hofft auf „einvernehmliche Lösung“

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

José Manuel Barroso weiß vermutlich nicht so genau, was der deutsche Lottoblock ist. Eine klare Meinung zum Staatsmonopol auf Glücksspiele hat der Präsident der EU-Kommission trotzdem: Er will es abschaffen. Genau das hat er am späten Mittwochabend auch den Länder-Fraktionschefs von CDU und CSU auf einem Treffen in Brüssel verkündet – und damit die Pläne der Bundesländer durchkreuzt, die den privaten Wettanbietern den Garaus machen wollen.

Am kommenden Mittwoch wollten die Ministerpräsidenten der Länder unter Federführung von NRW-Landeschef Jürgen Rüttgers (CDU) in Berlin einen neuen Staatsvertrag zum Glücksspielmonopol beschließen. Inhalt: Null Toleranz bei privaten Sportwetten und sonstiger Glücksspielerei. Reklame für Lottovermittler soll genauso verboten werden wie die Werbung von Wettfirmen. Die Nordrhein-Westfalen hoffen laut einem Regierungssprecher weiter auf eine „einvernehmlichen Lösung“ – doch die scheint nicht erst seit dem Auftritt Barrosos in weite Ferne gerückt.

Ein Ministerpräsident nach dem anderen rückt von der harten Linie ab, die NRW und Bayern vorgeben. Zuletzt zweifelte Baden-Württembergs Landeschef Günther Oettinger öffentlich daran dass es sinnvoll sei, private Sportwetten zu verbieten. Zuvor hatte bereits der Kollege Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein) eine Unterzeichnung des Staatsvertrages ausgeschlossen. Auch SPD-Mann Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und der CDUler Christian Wulff (Niedersachsen) gelten als Kritiker des Monopols. Oettinger will zuerst ein „Urteil des Europäischen Gerichtshofs von weit reichender Bedeutung“ abwarten, das für Beginn nächsten Jahres erwartet wird.

Die Europarichter verhandeln in Luxemburg die Klage eines britischen Anbieters, dem sein Geschäft in Italien untersagt worden war. Experten erwarten, dass das Gericht dem Geschäftsmann Recht gibt. „Die Generalanwälte des Europäischen Gerichtshofs haben bereits eindeutig erklärt, dass das Verbot gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt“, sagt der Europarechtler Hans-Georg Dederer von der Uni Bonn. In der Regel kämen die Richter in ihren Urteilen der Auffassung der Generalanwälte nach.

Hinter den Kulissen diskutieren die Landespolitiker deshalb bereits jetzt Alternativen zur Verabschiedung des Staatsvertrags. Neben einer Verschiebung ist auch eine „kleine Lösung“ im Gespräch, bei dem nur ein Teil der Länder privates Glücksspiel verbietet. Die Anwälte der Wettlobby halten diese Lösung jedoch nicht für praktikabel. „Das endet im Chaos. Dann fahren eben die Hamburger zum Wetten nach Kiel. Was dann mit den Internetwetten passiert, weiß ohnehin keiner“, sagt der Duisburger Rechtsantwalt Guido Bongers. Weil die Länder auch ohne Staatsvertrag bereits jetzt gegen private Sportwettanbieter vorgehen, seien Schadenersatzklagen schon jetzt nicht mehr zu verhindern: „Bis zu einer Entscheidung dauert es zwar drei oder vier Jahre, aber sie kommt. Wenn Rüttgers glaubt, dass sich das Problem auflöst, wenn er irgendwann nicht mehr im Amt ist, dann liegt er falsch“, so Bongers.

Auch in NRW setzt sich offenbar langsam die Erkenntnis durch, dass ein Crash-Kurs mit den privaten Wettanbietern zu risikoreich sein könnte. Dem Vernehmen nach hat die Landesregierung bereits Gespräche mit dem Bochumer Systemspielunternehmer Norman Faber aufgenommen, um eine Klage abzuwenden. Auch die FDP traut sich langsam, von der offiziellen Linie abzuweichen: Der Staatsvertrag sei „schon vor seiner Unterzeichnung überholt“, lässt Generalsekretär Christian Lindner mitllerweile verlauten.

Die FDP dürfte also nicht traurig sein, wenn der Lotto-Gipfel der Länder am Mittwoch platzt. Insgeheim hofft auch sie auf die EU, die am Dienstag zum gleichen Thema tagt. Mit dabei ist wieder Zockerfreund Barroso. Gute Ratschläge sind zu erwarten.