EU-Einsatz: Schatten über Tschad-Mission
Die EU-Truppe für Tschad und Zentralafrika steht. Die Bedenken gegen den Militäreinsatz bleiben.
Noch ist die geplante EU-Eingreiftruppe im Osten des Tschad gar nicht da, da ist ihr Einsatzgebiet schon Kriegsschauplatz. Heftige Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Anhängern des einstigen Rebellenführers Mahamat Nour erschüttern seit Tagen die Provinz Guéréda im Osten des Landes. Die Regierungssoldaten von der Zaghawa-Ethnie des Staatschefs Idriss Déby bekämpfen Milizen des Tama-Volkes von Nour.
Dass Nour seit Ende 2006 Verteidigungsminister des Tschad ist und seine ehemalige Rebellenbewegung FUC (Vereinigte Kräfte für den Wandel) daher Teil der Armee sein müsste, ändert nichts an der Heftigkeit des Krieges. Die FUC spricht von "Übergriffen gegen Tama-Zivilisten". Wer angefangen hat, ist unklar: Viele Tama-Milizionäre der FUC sind unzufrieden mit dem Eintritt ihres Führers in die Regierung. Und Regierungssoldaten sind dagegen, dass ihr einstiger Kriegsgegner jetzt Minister ist.
Die zeitweilig von Sudan unterstützte FUC war im April 2006 bis in Tschads Hauptstadt Ndjamena vorgerückt, bevor militärischer Druck aus Frankreich sie in ihr osttschadisches Stammesgebiet zurückwarf. Wenn jetzt dort der Krieg neu ausbricht, ist das ein Problem für die vorgesehene EU-Eingreiftruppe "Eufor Tschad - Zentralafrikanische Republik", deren Entsendung am Montagabend in letzter Instanz vom EU-Ministerrat gebilligt wurde. Sie soll im Osten des Tschad, wo 236.000 Flüchtlinge aus dem benachbarten sudanesischen Darfur leben sowie weitere 173.000 Binnenvertriebene, für ein Minimum an Sicherheit sorgen und dafür mit Tschads Armee und dem Verteidigungsminister zusammenarbeiten.
Kommandiert wird "Eufor" vom irischen General Patrick Nash aus einem EU-Kommandozentrum am Rand von Paris. Vor Ort führt sie der französische General Jean-Philippe Ganascia. Die bereits ständig im Tschad präsenten 1.500 Soldaten aus Frankreich werden Kern der Eufor-Truppe sein, zu der noch 350 Iren, 350 Polen, 200 Schweden und 100 Belgier stoßen sollen. Dazu will Frankreich Kontingente von Ländern wie Türkei und Marokko anfordern. Insgesamt soll die Truppe, deren Entsendung im November beginnen soll, bis zu 3.000 Mann stark sein und neben dem Osten des Tschad auch den angrenzenden Nordosten der Zentralafrikanischen Republik abdecken. Dort hatten französische Spezialtruppen letztes Jahr eine bewaffnete Rebellion zerschlagen. Eine Vorhut von 40 EU-Soldaten bereiste Ende letzter Woche das Einsatzgebiet, um den Aufbau von sechs Militärbasen vorzubereiten.
Immer wieder wird von Frankreich auch gestreut, die EU-Truppe solle auch logistische Rückdeckung für die geplante UN-AU-Truppe im benachbarten Darfur leisten. Im Tschad haben mehrere Rebellengruppen allerdings bereits angekündigt, die EU-Truppe zu bekämpfen, sollte sie Partei für die Regierung ergreifen. Dass vier tschadische Rebellengruppen letzte Woche in Libyen ein Friedensabkommen mit Tschads Regierung schlossen, wird von ihnen lediglich als eine Vorstufe zu einem Friedensprozess bezeichnet.
Das Misstrauen gegenüber der EU gründet auf der Doppelrolle Frankreichs: Führungsmacht der EU-Mission und Stütze der Regime im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik. Zwischen diesen beiden Ländern und Frankreich existieren nämlich separate militärische Beistandsabkommen. Tschads Opposition vermutet, Déby wolle sich über die humanitäre Rolle der EU-Mission seinen schlechten Ruf aufbessern. "Darfur, ein Schirm für Déby", titelte kürzlich die tschadische Wochenzeitung Notre Temps und schrieb: "Die Darfur-Krise hat Déby und seinem Clan geholfen, die Aufmerksamkeit von den wirklichen Problemen des Landes abzulenken."
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