EU-Beschwerde gegen Bayer-Werk Uerdingen

Umweltverbände wollen die Produktion des Giftgases Phosgen stoppen – und hoffen auf die Europäische Union

DÜSSELDORF taz ■ Umweltverbände und AnwohnerInnen des Uerdinger Bayer-Werkes hoffen nun auf die Europäische Union: Gestern legten der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) NRW und die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) bei der EU Beschwerde gegen die erweiterte Phosgen-Produktion ein. „Das ist unsere letzte Chance“, sagt Angelika Horster vom BUND. Seit einem Jahr versuchten UmweltschützerInnen den Vorgang zu prüfen, bisher ohne Erfolg. Dabei sei die Erweiterung der Anlagen unrechtmäßig. Sie habe gegen mehrere EU-Richtlinien verstoßen, darunter die Informationspflicht und die Umweltverträglichkeitsprüfung.

Vor etwa einem Jahr hat das Chemiewerk seine Produktion von Phosgen um 60.000 Tonnen pro Jahr erhöht. Das Gas wurde im ersten Weltkrieg als tödliches Kampfmittel eingesetzt, heute wird mit Hilfe von Phosgen Kunststoff hergestellt. Das ginge laut BUND auch ohne das hochgiftige Gas, das alternative Verfahren sei allerdings teurer. Bei der Verbrennung von Phosgen werden chlorhaltige Schadstoffe ausgestossen. „Sie lassen sich nur schwer messen“, sagt Horster. „Aber schon geringe Mengen können tödlich sein.“

Die Phosgen-Industrie gilt als eine der gefährlichsten Industriezweige in NRW – trotzdem hat die zuständige Bezirksregierung in Düsseldorf nicht angeordnet, bei der Produktionsausweitung die Umweltverträglichkeit zu prüfen. Dabei schreibt die EU vor, dass Änderungen bei risikoreichen Anlagen nur genehmigt werden, wenn zuvor ungefährlichere Alternativen geprüft worden seien.

Das Chemie-Unternehmen fürchtet die EU-Beschwerde nicht. „Wir sind gelassen“, sagt Sprecherin Kerstin Nacken. Bayer habe stets alle Vorgaben befolgt. „Ich sehe das Problem überhaupt nicht.“

CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes kritisiert die Informationspolitik des Chemieriesen. „Öffentlichkeit und Anwohner wurden nicht von der Produktionsänderung informiert“, sagt Minkes. Dadurch sei es unmöglich geworden, Einwendungen zu erheben. Ohne Erfolg hatte die CBG versucht herauszufinden, wieviel Phosgen in dem Uerdinger Werk insgesamt hergestellt wird und wieviel des Giftes im Falle eines Störfalls freigesetzt würde. „Aus `Sicherheitgründen` hat man uns keine Antwort geben wollen.“ Bayer Sprecherin Nacken hat noch eine andere Begründung für die magere Infopolitik: „Aus Wettbewerbsgründen konnten wir nichts sagen.“

ANNIKA JOERES