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Archiv-Artikel

ERSTER PROZESS IN DER VW-AFFÄRE – DIE FRAGEN BLEIBEN Lustreisen mit unbestimmtem Ziel

Was eigentlich ist bei VW passiert? Das ist noch immer ziemlich unklar, obwohl die Affäre schon seit eineinhalb Jahren läuft. Aber in dieser Zeit haben sich die Themen in geradezu atemberaubender Weise verschoben: Anfangs ging es um Tarnfirmen und Scheingeschäfte von zwei VW-Managern, dann um Lustreisen von Betriebsräten, dann um die brasilianische Geliebte des VW-Betriebsratschefs Klaus Volkert – doch erst seit Oktober weiß man von jenen zwei Millionen Euro Sonderboni, die Volkert von VW erhalten hat und für die Ex-Personalvorstand Peter Hartz gestern vor Gericht die Verantwortung übernommen hat.

Ebenfalls bemerkenswert an dieser Affäre: Die VW-Zentrale hat kräftig daran mitgewirkt, dass die Affäre ihre ganze Dynamik entfalten konnte. Es war nämlich der Autokonzern selbst, der die entscheidenden Anzeigen zur Staatsanwaltschaft Braunschweig trug. Und immer wieder belastete sich Hartz derart gezielt, dass er vom Zeugen zum Angeklagten und nun zu einer Art Hauptangeklagten aufstieg. Hartnäckig wird daher spekuliert, dass Hartz in Wahrheit versucht, VW-Aufsichtsratschef Piëch zu schützen.

Obwohl die Wendungen der VW-Affäre immer wieder überraschen, lässt sich doch so viel sagen: Es dürfte ein Einzelfall sein. Andere Konzerne haben es nicht nötig, ihre Betriebsräte geneigt zu stimmen. In jeder normalen Firma besitzen die Kapitaleigner sowieso die Mehrheit. Nur bei VW ist die Lage diffizil, weil das Land Niedersachsen über einen großen Teil der Stimmen im Aufsichtsrat verfügt. Da lag es für die VW-Manager nahe, den Betriebsrat mit Luxuspräsenten zu umgarnen, um sichere Bündnispartner zu gewinnen.

Allerdings wird nie zu entscheiden sein, ob der Betriebsratschef seine Kollegen tatsächlich verraten und verkauft hat. Es stimmt: Volkert war mit den Hartz-Plänen einverstanden, die Viertagewoche und das 5.000-x-5.000-Modell einzuführen. Aber lag es an seinen Sonderboni? Schließlich war Lohnverzicht die wohl einzige Möglichkeit, Jobs zu retten und zu schaffen. Es ist eben unklar, was bei VW passiert ist. ULRIKE HERRMANN