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Archiv-Artikel

ERNST ALBRECHT, EHEMALIGER MINISTERPRÄSIDENT Der Quereinsteiger

Ernst Albrecht, 79

■  hat u. a. Theologie studiert. Eines seiner sechs Kinder ist Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Foto: dpa

In Gorleben hat er sich gehörig verrechnet. Weil die konservativen Bauern im armen Wendland wohl kaum gegen eine Großinvestition protestieren würden, erkor der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht den Salzstock freihändig zum atomaren Endlager. Andere sagen, er habe damit die DDR ärgern wollen. So oder so sah er sich binnen kürzester Frist einer großen Protestbewegung gegenüber.

Die Standort-Entscheidung spielt heute wieder eine Rolle, weil Atomgegner damit gegen das geplante Endlager argumentieren: Der Salzstock sei aus politischer Opportunität gewählt worden, nicht weil er geologisch so gut geeignet gewesen sei. Albrecht dazu zu befragen, wird immer schwieriger: Am Dienstag wird er 80 Jahre alt. Er leidet an Alzheimer.

Ernst Albrecht war einmal einer der großen Hoffnungsträger der CDU. Als Quereinsteiger aus der damaligen EWG-Kommission geholt, regierte er Niedersachsen von 1976 bis 1990. Kurze Zeit sah es sogar so aus, als könnte der smarte zierliche Mann mit dem großen Lächeln Bundeskanzler werden. 1980 war er als Kandidat der CDU im Rennen; die Union entschied sich für Franz-Josef Strauß – und verlor.

Albrechts Amtszeit begann skandalumwittert mit zwei Stimmen aus dem gegnerischen Lager. Er billigte, dass der Verfassungsschutz ein Loch in die Mauer des Celler Gefängnisses sprengte, um einen V-Mann in die RAF einschleusen zu können. Auch soll er von dem Versuch gewusst haben, die CDU an den Einnahmen der niedersächsischen Spielbanken zu beteiligen. Andererseits hinterließ er ein Land mit im Bundesvergleich wenigen Arbeitslosen und hohem Wirtschaftswachstum.

Der Pensionär war zu jung und zu protestantisch, um die Hände in den Schoß zu legen. Er sanierte den ehemaligen VEB Hüttenwerke Thale im Harz, beriet Kirgisien beim Aufbau eines demokratischen Rechtsstaats und versuchte Mitbürgern in Not direkt oder im Ehrenamt zu helfen.

Womit er sich beschäftige, seit er nicht mehr Ministerpräsident sei, fragte ihn die taz 2006: „Gutes tun im Sinne Gottes“, war die Antwort. GERNOT KNÖDLER