ERICH RATHFELDER ZUM POLITISCHEN FRÜHLING IN BOSNIEN UND HERZEGOWINA : Nichts ist mehr, wie es war
Geschichtliche Entwicklungen vollziehen sich nach außen hin in Sprüngen. In Bosnien und Herzegowina hat sich das, was jetzt passiert, aber schon über die Jahre untergründig entwickelt. Seit langem reden die Menschen im Land über die Notwendigkeit einer Revolution, seit Monaten darüber, dass nur Gewalt helfen kann, sich aus diesem politischen System mit diesen Politikern zu befreien. Jetzt tun sie es.
Noch ist der Durchbruch nur partiell geschafft. Doch die Angst ist verschwunden. Politiker sind nicht mehr unantastbar. Die korrupten politischen Führungen der Kantone sind unter Druck geraten, drei von den zehn Kantonspräsidenten sind schon zurückgetreten. Es bilden sich Komitees, die Forderungen nach Transparenz der politischen Entscheidungen stellen. Mancher, der sich am Volksvermögen bereichert hat, wird wohl bald Konsequenzen tragen müssen und alte Seilschaften lösen sich auf.
Aber natürlich wehren sich die in Panik geratenen Mächtigen. Mit Propaganda gegen „Hooligans“, willkürlichen Verhaftungen und Fehlinformationen wie über die Zerstörung eines geschichtlich wichtigen Archivs in Sarajevo. Und indem sie wieder die nationalistisch-ethnische Karte spielen.
Die bosniakische Nationalpartei SDA will sich gegen serbische Tschetniks wehren. Der kleine Putin Milorad Dodik aus der serbischen Teilrepublik Srpska ließ nationalistische Schlägerbanden auf Demonstranten in Bijeljina los. Kroatische Nationalisten schlugen in Livno zu, um Verbrüderungen wie in Mostar zu verhindern. Als ob es keine Armut und Arbeitslosigkeit in ihrem Herrschaftsbereich gäbe.
A la longue wird das nichts nützen. Auch in diesen Teilen Bosnien und Herzegowinas formieren sich Menschen, die „ihren“ korrupten Führungen entgegentreten wollen. Es ist alles nicht mehr so, wie es einmal war.
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