ERIC BONSE ZUR EU-WACHSTUMSPROGNOSE : Nichts dazugelernt
Seit Monaten reden die EU-Politiker die Trendwende in der Eurokrise herbei. Die bittere Medizin aus Spardiktaten und Zwangsreformen beginne zu wirken, heißt es unisono in Berlin und Brüssel. Doch die Konjunkturprognose, die EU-Währungskommissar Olli Rehn am Dienstag vorstellte, spricht eine andere Sprache. Sie zeigt, dass die EU-Politik die Krise verlängert – und dass Rehn mit zweierlei Maß misst.
Wie noch jedes Mal seit Beginn der Eurokrise musste der Kommissar seine Schätzungen nach unten revidieren. Statt um magere 1,2 Prozent soll die Wirtschaft der Eurozone 2014 nur noch um 1,1 Prozent wachsen. In den meisten Ländern wäre damit zwar die Rezession beendet, doch die Arbeitslosigkeit bleibt auf Rekordniveau. Die Krise geht also weiter, jedenfalls auf dem Arbeitsmarkt. Schuld daran ist die Sparpolitik, die mittlerweile selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert. Schuld daran ist auch Deutschland, das einseitig auf Export setzt und keine eigenen Wachstumsimpulse gibt – etwa durch höhere Binnennachfrage (sprich: Löhne) und mehr Investitionen.
Erst vor einer Woche haben USA und IWF ein Umdenken gefordert. Aber Berlin und Brüssel haben offenbar nicht zugehört. Der Sparkurs müsse unverändert fortgesetzt werden, sagte Rehn. Die Kritik an den deutschen Überschüssen sei unverständlich, sekundierte Finanzminister Schäuble. Alles soll weitergehen wie zuvor, selbst im Europawahljahr 2014.
Oder doch nicht? Zum ersten Mal wagte Rehn leise Kritik an Deutschland. Berlin müsse die Binnennachfrage stärken und Investitionen anschieben. Das lässt aufhorchen. Gleichzeitig warnte er vor der „Politisierung“ des Streits über die Überschüsse. Der Exportweltmeister hat nichts zu fürchten. Nur die „Defizitsünder“ müssen bluten. Wie gehabt.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8