piwik no script img

ENERGIENETZEVertrauen statt Verstaatlichung

Gutachten hält Rückkauf der Netze für bezahlbar. Grüne und Linke in der Bürgerschaft erfreut das, SPD stimmt den Vorstoß mit CDU und FDP nieder.

Rückkauf oder nicht? Das ist in Hamburg die Frage. Bild: DPA

Es ging hoch her am Mittwochabend in der Bürgerschaft in der Debatte über die Zukunft der Hamburger Energienetze. "Geheimverhandlungen" mit den Konzernen Vattenfall und Eon warf GAL-Fraktionschef Jens Kerstan dem SPD-Senat vor. Mit den Initiatoren des erfolgreichen Volksbegehrens "Unser Netz" spreche der Senat hingegen nicht - "ein seltsames Demokratieverständnis", findet Kerstan.

Tags zuvor hatte die Umweltbehörde ein Gutachten ins Internet gestellt, das die Position der Volksinitiative unterstützt. Die Expertise der Berliner "LBD Beratungsgesellschaft" und der Münchener Wirtschaftsprüfer "Becker Büttner Held" untersucht die Möglichkeiten zur Finanzierung des Kaufs und der Rechtsformen einer künftigen Trägerschaft. Und sie empfiehlt der Stadt, die Netze vollständig zu erwerben - eben dies ist die Forderung der Volksinitiative "Unser Netz" sowie von GAL und Linken. Der SPD-Senat indes will aus Kostengründen lediglich eine "strategische Beteiligung" von 25,1 Prozent erwerben.

Laut Gutachten könnten auch Finanzinvestoren wie die deutschen Pensionskassen oder Lebensversicherungen beteiligt werden und obendrein Bürger Volksaktien erwerben. Damit würden Belastungen und Risiken für die Stadt minimiert. Bei diesem Modell müsste Hamburg nur etwa zehn Prozent des Kaufpreises selbst aufbringen, der je nach Rechenart zwischen 1,5 und 3,0 Milliarden Euro liegen soll.

Streit um die Netze

Privatisierung: Hamburg hatte zwischen 1988 und 2002 die städtischen Energieversorgungsunternehmen Hamburgische Electricitäts-Werke (HEW) und Hamburgische Gaswerke (Hein Gas) an die Konzerne Vattenfall und Eon verkauft.

Versorgungsleitungen: Damit fielen auch die Netze für Strom, Fernwärme und Gas an Vattenfall und die Eon-Tochter Eon Hanse. Die Konzessionsverträge für die Netze sind jedoch kündbar.

Volksbegehren: Gut 116.000 Unterschriften hat die Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" für einen kompletten Rückkauf der Netze gesammelt. Einigen sich Initiative und Senat nicht, kommt es zu einem Volksentscheid.

"Ein zentrales Argument gegen die vollständige Netzübernahme war für die SPD bislang, dass diese nicht bezahlbar sei. Dieses Argument ist jetzt widerlegt", kommentiert Dirk Seifert, Energiereferent der Umweltorganisation Robin Wood.

Zudem sehen die Gutachter große Vorteile in der Schaffung eines "integrierten Netzbetreibers" in einer Zusammenarbeit der städtischen Gesellschaft Hamburg Wasser und deren Ökostrom-Tochter Hamburg Energie. Als eine Variante beschreiben sie: "Der Netzbetrieb aller Infrastrukturnetze (einschließlich Wasser) wird an eine Gesellschaft (Netzgesellschaft) delegiert" und "Erzeugung und Vertrieb von Fernwärme erfolgt durch Hamburg Energie."

"Die Gutachter zeigen auf, wie neue Stadtwerke entstehen könnten. Die Stadt könnte damit die Energieversorgung im Sinne des Klimaschutzes optimal steuern und gleichzeitig ein profitables kommunales Unternehmen aufbauen", sagt Manfred Braasch, Hamburger BUND-Geschäftsführer. Und Seifert fordert: "Die Hamburger SPD muss endlich eine Energiepolitik im Sinne der Stadt und ihrer Bürger machen."

Am 18. November soll eine öffentlichen Anhörung von Experten und Initiative stattfinden. "Dann werden wir sehen", so SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal, "was uns trennt und was uns eint." Den Antrag der Grünen, der Senat solle Verhandlungen mit der Initiative aufnehmen, unterstützten nur die Linken. Die SPD lehnte das mit Unterstützung von CDU und FDP ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • P
    pablo

    das kommt davon wenn man sich einen wirtschaftsnahen scholz als bürgermeister wählt. wie war das noch 1969, "mehr demokratie wagen" und im aktuellen parteiprogramm der spd mit dem demokratischen sozialismus?

  • SP
    strom preise

    DIe sollen erst mal ein selbstfinanziertes WiFree-City-Internet für alle aufbauen. Dann kann man ihnen vielleicht ein Stromnetz anvertrauen. Sonst kriegt doch wieder nur der Schwager o.ä. die Aufträge und die Strompreise werden immer größer.

     

    Und Verstaatlichung ist eh falsch. Genossenschaftierung nur für Hamburger Bürger wäre korrekter. Baumnetze kann man problemlos partiell aufkaufen. Also Stadtteil für Stadtteil jeweils eine Trafo-Station und was dran hängt. Mit purem eigenem Geld.

    Selbstbestimmung bedingt Selbstfinanzierung statt armseligem Subventionismus.

  • G
    Gast

    @strom preise:

    Und mit welchem Geld sollen die Netze vergenossenschaftlicht werden?

    Sollen wir das mit dem Geld bezahlenm, das die Stromkonzerne in den letzten Jahren von uns abgezockt haben?

    Dann bekämmen wir ja die Netze und noch Geld raus.

  • P
    pablo

    das kommt davon wenn man sich einen wirtschaftsnahen scholz als bürgermeister wählt. wie war das noch 1969, "mehr demokratie wagen" und im aktuellen parteiprogramm der spd mit dem demokratischen sozialismus?

  • SP
    strom preise

    DIe sollen erst mal ein selbstfinanziertes WiFree-City-Internet für alle aufbauen. Dann kann man ihnen vielleicht ein Stromnetz anvertrauen. Sonst kriegt doch wieder nur der Schwager o.ä. die Aufträge und die Strompreise werden immer größer.

     

    Und Verstaatlichung ist eh falsch. Genossenschaftierung nur für Hamburger Bürger wäre korrekter. Baumnetze kann man problemlos partiell aufkaufen. Also Stadtteil für Stadtteil jeweils eine Trafo-Station und was dran hängt. Mit purem eigenem Geld.

    Selbstbestimmung bedingt Selbstfinanzierung statt armseligem Subventionismus.