ELTERNTRAUMATA : Gretchenfragen
Die Frau im Geburtshaus strahlt Zuversicht aus. Ein Kind zu bekommen ist schön, aber eben auch völlig normal, meint sie. „Und ehrlich gesagt, wenn es keine Komplikationen gibt, dann bräuchtest du noch nicht einmal uns Hebammen dafür. Das könntest du auch alleine.“ Ein warmes, ernst gemeintes Lächeln zur Schwangeren.
Dann zeigt sie dem Paar die beiden Geburtszimmer mit breitem Bett und Badewanne, das war’s. Keine Räucherstäbchen und esoterischen Klangglocken, kein medizinisches Hightech-Gerät. Nein, schon ein paar Stunden nach der Entbindung könnten die beiden nach Hause gehen. Ja, sie sei die ganze Zeit dabei und im Notfall komme sie auch mit ins Krankenhaus. Das sollte man sich vorher anschauen, um zu wissen, wie man damit umgeht. Wie sie das meint?
Infoabend für Schwangere in der Charité. In einem steilen Hörsaal sitzen werdende Elternpaare. Auf dem Podium, mit Mikrofon: eine Hebamme, ein Kinderarzt, zwei leitende Ärzte. Nach dem Einführungsfilm gehen die werdenden Eltern in Stellung mit Dingen, die ihnen auf der Seele brennen. Die Gretchenfrage: „Wie halten Sie es mit der PDA?“ Die Fragende schaut, als erwarte sie eine religiöse Erleuchtung. Sie schreibt mit wie an der Uni. Dann, verunsichert: „Welche Art der Nabelschnurblutaufbewahrung empfehlen Sie? Wie, keine?“ Prüfend: „Wie hoch war Ihre Kaiserschnittrate letztes Jahr?“ Fordernd: „Können Sie mir garantieren, dass meine Frau in einem Zweibettzimmer untergebracht wird?“ Und wieder unsicher: „Ähm, was sollten wir denn eigentlich mitbringen?“ Das Paar schaut sich verwundert an. Kinder bekommen ist offenbar Hochleistungssport, der eines genauen Trainingsplanes bedarf. Als ein Vater in spe die fünf Kriterien der U1-Untersuchung und die Punktevergabe an sein Baby aufgelistet haben will, gehen sie, händehaltend.
MIRIAM JANKE