EINEN VERSUCH LEGEN : Blick unters Röckchen
■ Die Erziehungswissenschaftlerin von der TU Dresden erklärt, was an Frauenfußball sexy ist und was nicht.
Frauen spielen Fußball – begeistert, erfolgreich und seit vielen Jahrzehnten. An englischen Schulen kickten die Mädchen bereits Mitte des vorletzten Jahrhunderts, das erste englische Frauen-Fußballteam, die British Ladies, wurde 1894 gegründet. Die deutschen Frauen zogen in den 1930er-Jahren nach.
Dann allerdings entdeckten die Deutschen ihre Liebe zum Nationalsozialismus, besannen sich auf die biologischen Funktionen der Frau und feierten deren „Gebärfreudigkeit“. Im Zuge dessen wurde der Frauenfußball verboten – mit dem Hinweis, dass die weiblichen Sexualorgane durch den harten Sport Fußball von ihrem angestammten Körperplatz verrückt und Frauen vermännlicht würden. Eine ähnliche Argumentation finden wir verblüffenderweise auch heute noch. Es sind nach wie vor die normativen Geschlechterzuschreibungen, die dazu beitragen, dass der Frauenfußball nicht die gleiche Popularität genießt wie der Männerfußball, trotz einer beeindruckenden internationalen Erfolgsgeschichte; seit 1989 war die deutsche Frauennationalmannschaft sechsmalige Europameisterin und zweimalige Weltmeisterin.
Immer noch stehen die männlichen Sportler im Mittelpunkt einer Sportberichterstattung, die in Europa im Wesentlichen den Fußball fokussiert und übrigens fast ausschließlich aus der Feder von männlichen Journalisten stammt. Frauen erlangen im Sport meist nur dann Nachrichtenwert, wenn sie deutlich erkennbar Frau oder besser noch ein „Eyecatcher“ sind, also einen erregenden Anblick bieten. Dazu verhilft offenbar schon ein kurzes Röckchen, denn alle sexualisierten Fotos in der Sportberichterstattung beziehen sich fast ausschließlich auf Tennis, den Sport, aus dem ein Drittel aller Sportlerinnen-Berichte stammen. Hier wird der Kamerablick gern auf sexuell konnotierte Körperpartien wie das Gesäß oder auf intime Körperzonen gerichtet, frei nach dem Motto: Erotic sells!
Müssen wir daraus schlussfolgern, dass der erotische Mehrwert von Fußballerinnen aus heterosexueller Sicht offenbar begrenzt erscheint und der Frauenfußball sich daher schlechter vermarkten lässt? Es spricht einiges dafür. Paradoxerweise werden Frauen auf dem Fußballplatz oder im Stadion allerdings nur dann als „kompetenter Fan“ und „richtige Spielerin“ von Männern anerkannt, wenn sie sich von der Frauenrolle distanzieren und stattdessen die Rolle des „geschlechtsneutralen Kumpels“ oder der „geschlechtslosen Sportlerin“ einnehmen, denn Frauen haben ja qua Geschlecht keine Ahnung von Fußball.
Hierbei müssen die Frauen allerdings einen Spagat hinlegen, denn geschlechtsneutrale Wesen sind in dieser Welt – um es mit Judith Butler zu sagen – nicht überlebensfähig, das heißt, auch fußballbegeisterte Frauen müssen Formen subtiler Weiblichkeitsinszenierung praktizieren, um – jenseits des Fußballplatzes – weiterhin als Frau (an)erkannt und damit auch begehrt zu werden. Sie lassen sich zum Beispiel die Haare wachsen, schminken sich, tragen Röcke, kurzum sie gendern sich.
Das Handeln von Mädchen und Frauen in der Männerdomäne Fußball ist also immer noch in hohem Maße ambivalent: Um mitspielen, mitreden zu können und anerkannt zu werden, müssen sich Frauen Verhaltensweisen aneignen, die den gängigen Geschlechterstereotypen entsprechend als männlich angesehen werden. Um aber dennoch attraktiv zu sein, sind sie aufgefordert, typische Merkmale einer Frau nach außen zu tragen. Darüber hinaus müssen sie sich weiterhin mit vielfältigen Formen der Diskriminierung auseinandersetzen oder diese verdrängen.
Wenn der Frauenfußball also nachhaltig für Mädchen und Frauen attraktiv und dann auch an Popularität gewinnen soll, muss sich insbesondere die Berichterstattung ändern – Beispiele für eine alternative Kameraführung finden sich zum Beispiel in dem Film „Kick it like Beckham“. Doch auch der Deutsche Fußball-Bund ist in der Pflicht, will er den Frauenfußball tatsächlich fördern. Dabei reicht es jedoch nicht aus, lediglich die Frauen zu motivieren. Um eine tatsächliche Wende herbeizuführen, muss auch beim Männerfußball angesetzt werden, so zum Beispiel durch eine Enttabuisierung von Homosexualität und die Öffnung für ein vielschichtigeres Publikum. Nur auf diese Weise wird die hierarchisierte Einteilung in Männer- und Frauenfußball endlich hinfällig und der Fußball insgesamt sexy!