piwik no script img

Archiv-Artikel

EINE VERFASSUNGSÄNDERUNG UNTERSTÜTZT DEN ATOMAUSSTIEG NICHT Gefährliche Zugeständnisse

Der Atomausstieg könnte ohne Weiteres im Grundgesetz festgeschrieben werden. Rechtlich spricht nichts dagegen. Politisch ist dies aktuell aber eine gefährliche Überlegung, die zu teuer erkauft werden müsste.

„Der Bau von Atomkraftwerken ist verboten.“ Mit diesem einfachen Satz könnte der Atomausstieg im Grundgesetz verankert werden. Eine Änderung wäre dann nur mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat möglich. Es wäre nicht die erste Verfassungsänderung, mit der ein lange währender politischer Konflikt abgeschlossen wird. So findet sich im Grundgesetz die Zulässigkeit des großen Lauschangriffs (Artikel 13) ebenso wie die weitgehende Abschaffung des Asylrechts (Artikel 16a).

Die Verankerung des Ausstiegs im Grundgesetz wäre auch keine Wiederholung ohnehin geltender Verfassungssätze. Während die diskutierte Einführung von Kinderrechten im Grundgesetz rein symbolisch ist, weil die Menschenwürde und Gesundheit von Kindern auch bisher voll geschützt waren, wäre der Atomausstieg ein verfassungsrechtliches Plus. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht bisher den Neubau von Kernkraftwerken – zum Beispiel in seinem Kalkar-Urteil 1978 – ausdrücklich zugelassen.

Allerdings ist der schrittweise Atomausstieg auch so geltendes Recht. Im Atomgesetz ist zumindest das Auslaufen der Betriebsgenehmigungen nach Erreichen bestimmter Reststrommengen festgeschrieben. Auf eine Verankerung im Grundgesetz kommt es dabei nicht an. Sie würde nur der Einbindung der CDU/CSU dienen. Diese Einbindung der Union wäre zwar wünschenswert, doch wäre sie vermutlich mit der Bedingung verbunden, dass in den nächsten Jahren keine AKWs stillgelegt werden müssen. Wer solche Bedingungen für akzeptabel hält, nimmt aber die Notwendigkeit eines schnellen Atomausstiegs nicht ernst, untergräbt damit die eigene Position und wird von der Union am Ende vermutlich gar keine Zugeständnisse erhalten. Weder im Grundgesetz noch im richtigen Leben. CHRISTIAN RATH