EINBÜRGERUNSURTEIL: JE MEHR FRAGEN, DESTO MEHR LÜGEN : Deutsche auf Bewährung
Einmal Deutscher – immer Deutscher? Auf dieses Prinzip hatte sich ein gebürtiger Nigerianer berufen, der die deutsche Staatsangehörigkeit mit einer Verdienstbescheinigung erschlichen hat, die einem Namensvetter gehörte. Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass in solchen Fällen – entgegen dem Wortlaut des Grundgesetzes – die Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden kann. Das ist sinnvoll.
Man könnte schließlich niemandem erklären, dass ein Ausländer, der etwa seine Einbürgerung mit der Waffe in der Hand erzwingt, anschließend die deutsche Staatsbürgerschaft behalten könnte. Wenn aber eine durch Drohung erlangte Staatsbürgerschaft rückgängig gemacht werden kann, dann kann auch die Rücknahme nach Bestechung oder Täuschung kein Tabu sein.
Die Politik und die Gerichte müssen allerdings aufpassen, dass die Gründe für eine solche Rücknahme nicht inflationär werden. Es darf nicht sein, dass bei jeder kleinen Ungenauigkeit in den Angaben der deutsche Pass wieder eingezogen werden kann. Heikel wäre das auch, wenn der Aberkennung ein vermeintlich falsches Bekenntnis zu den Werten der Verfassung zugrunde liegt. Soll ein Kandidat, der am baden-württembergischen Einbürgerungstest teilnimmt und sich etwa zu einer toleranten Haltung gegenüber Homosexuellen bekennt, tatsächlich später wieder ausgebürgert werden, wenn er sich verplaudert und zugibt, dass dies eine Zwecklüge war?
Die Einbürgerung ist nicht nur Belohnung für gelungene Integration in Deutschland, sie ist zugleich auch ein Mittel, die Integration zu befördern. Wer dazugehört, die vollen Bürgerrechte hat und mitbestimmen darf, richtet sich eben tendenziell besser ein als der Migrant, der immer Ausländer bleibt und schon wegen dieses Status nicht richtig dazugehört. Deshalb muss aber auch jeder Eindruck vermieden werden, dass eingebürgerte Deutsche nur eine Staatsbürgerschaft zweiter Klasse haben oder dass sie Deutsche auf Bewährung sind, die man jederzeit wieder ausbürgern kann. CHRISTIAN RATH