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Archiv-Artikel

EIN PROZESS GEGEN KAPLAN TAUGT NICHT ALS EU-TEST DER TÜRKEI Schilys Einzelfallbetreuung

Otto Schily und Joschka Fischer haben ihre Rollen vertauscht. Während sich der Außenminister neuerdings verstärkt im Inland tummelt und als Gesundheitsfachmann profiliert, ist der Innenminister im Auslandseinsatz. Zum wiederholten Mal schon begab sich Schily gestern persönlich in die Türkei, um mit der dortigen Regierung zu verhandeln. Inzwischen dürfte er öfter in Ankara gewesen sein als Fischer, und das alles wegen eines Mannes: wegen Metin Kaplan, dem „Kalifen von Köln“.

Schilys Ziel: Er will den Islamisten endlich außer Landes schaffen und an die Türkei ausliefern. Dieser Wunsch ist nachvollziehbar. Mitleid mit einem Mann, der zum Mord aufrief, muss man nicht haben. Doch die intensive Einzelfallbetreuung des reisenden Ministers ist grotesk, sie dient allein der Selbstdarstellung: Schaut her, der Schily tut was.

Mit seinen Gesprächspartnern in Ankara war er sich vorher schon längst einig. Die Türkei will Kaplan vor Gericht stellen, Schily hat nichts dagegen, die Einzelheiten könnten Beamte klären. Längst hat Schily klar gemacht, dass er der Zusicherung der türkischen Regierung glaubt, Kaplan rechtsstaatlich korrekt zu behandeln. Wer’s nicht glaubt, ist die deutsche Justiz. Zu Schilys Verzweiflung reichte auch sein Einsatz bisher nicht, um die zuständigen Gerichte zu bewegen, Kaplans Abschiebung zu genehmigen. Also reist Schily erneut nach Ankara. Um was zu erreichen? Eine noch sicherere Zusicherung? Ein Ehrenwort unter Männern?

Was Schily auch mitbringt: Es hilft nicht weiter, es soll nur den Druck auf die widerspenstige Justiz erhöhen. Die aber sollte sich nicht beirren lassen. Denn Schily geht es um mehr: um den Beweis, dass er kriminelle Ausländer wegschafft. Dass er gegen Islamisten durchgreift. Und dass die Türkei EU-tauglich ist. Ob der Fall Kaplan dazu beiträgt, ist jedoch fraglich, auch wenn sich die Türkei bei diesem Promi-Fall an ihre Zusagen hält. Ein Freifahrtschein für Auslieferungen in die Türkei darf daraus nicht entstehen. Es ist schließlich kaum anzunehmen, dass sich Schily auch dann ins Flugzeug setzt, wenn ein unbekannter Kurde in einem abgelegenen Gefängnis gefoltert wird. LUKAS WALLRAFF