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Archiv-Artikel

EIN PAAR KINDER HABEN DEN ALADDIN-SANE-BLITZ IM GESICHT, UND DIE MUSIK MACHT GROSSE FREUDE AM „TAG FÜR DAVID BOWIE“ Major Tomatoes und Steak Oddities

VON DETLEF KUHLBRODT

Die meiste Zeit ist nun wieder Fußballgucken. Die Parolen zur WM sind ein bisschen totalitär. Zum Beispiel „Ein Land, ein Wille, ein Titel!“ in der Axel-Springer-Straße oder „WM – das sind wir alle!“ (Fifa).

In der Nacht zum Sonntag besuche ich einen Freund aus der Technoszene der Neunziger. Gesundheitlich ist er schwer angeschlagen. Irgendwann erzählt er von David Bowie und wie er Ende der 70er manchmal mit David Bowie spazieren gegangen war. „David Bowie war wie wir“, sagt er. Ich glaube ihm nur so halb.

Der Sonntag ist „ein Tag für David Bowie“. Oft hab ich den Eindruck, in einem Déjà-vu-Gefängnis zu leben. Ein alter Kollege und Popspezialist verlässt gerade die Veranstaltung im Haus der Berliner Festspiele, weil alles so trostlos sei, bleibt dann aber doch noch. Gleich am Eingang steht der Puppendesiger Karl Schlarb. Wir hatten uns beim letzten David-Bowie-Geburtstag kennen gelernt. Er ist auch dünn und hat schöne rot gefärbte Haare und einige David-Bowie-Puppen aufgestellt. Seit vier Jahren versucht er, ganze Romane mit Puppen nachzubauen. Die Puppen sehen gut aus und passen auch zu Bowie, der sich leider noch nicht bei ihm gemeldet hat. Dafür ist er mit George Underwood bei Facebook befreundet. Underwood hatte früher mit Bowie Musik gemacht und ihm bei einem Streit um ein Mädchen das eine Auge ramponiert, was im Nachhinein ein Glücksfall war für die Karriere des Meisters.

An einem Stand kann man sich bowiemäßig schminken lassen. Das Publikum ist gut gemischt; wirkt angenehm bodenständig; die Mehrzahl der Leute ist so um die 50. Barbara, Jürgen und viele andere aus dem David-Bowie-Forum sind auch hier.

Richtige David-Bowie-Lookalikes sind dagegen selten; ein paar Kinder haben nur den Aladdin-Sane-Blitz im Gesicht, einer trägt eine hautenge silberne Hose, eine ältere, leicht korpulente Frau ist auch da mit einem „Sound & Visions“-T-Shirt. Sie sieht genauso aus wie die französische Schneiderin und David-Bowie-Fanclubvorsitzende, die 1977 mal in einem kleinen tollen Dokumentarfilm porträtiert worden war.

Im Garten gibt es David-Bowie-Essen. Nicht Kokain, Milch und Zigaretten, wovon er sich bekanntlich in den 70ern ernährt hatte, sondern minimalistische, von Bowie-Songs inspirierte und gut aussehende Teilchen: „Major Tomatoes“, „Pheroes“ und „Steak Oddities“ sowie einen Fingerhut mit grünem Gin ohne Alk. Die Sachen schmecken super. „You don’t eat when you lived too long“ heißt es in „Rock’n’Roll Suicide“.

Tobias Rüther liest die „Heroes“-Passage aus seinem Buch über Bowie in Berlin. Ich mag das Lied nicht besonders; was er liest, ist aber doch ganz gut. Jens Balzer von der Berliner Zeitung stellt Fragen. Dass der große Popstar so gerne U-Bahn fuhr, gefällt mir sehr gut.

Später gibt es das Show-Format „ein Hit ist ein Hit“ aus dem Kaffee Burger. Nun sind schon ganz viele Leute da. Gesprächsweise wird Popwissen aufbereitet; Berliner Musiker covern Bowie-Songs wie zum Beispiel den „Laughing Gnome“, für den sich der Popstar später ein bisschen schämte. Der Moderator Adrian Kennedy erinnert an Trevor Wilson und ist lustig. Eine Freundin von Christiane F. (wenn ich’s richtig verstanden hab) covert „Ziggy Stardust“, „All the Young Dudes“ sind auch dabei. Ein Sänger heißt Hazy Cosmicdrive.

Als Stargast kommt Herbie Flowers vorbei, der früher mal bei T. Rex gespielt hatte, bei Bowies „Diamond Dogs“-Tournee dabei war und dessen Bass jeder kennt aus dem von Bowie produzierten Lou-Reed-Klassiker „Walk on the Wild Side“. Nun spielt Herbie Flowers noch einmal „Space Oddity“ und „Rebel, Rebel“, das man in East-London „Webel, Webel“ ausspricht. Zum Abschluss gibt es „Where are we now“. Es ist eine große Freude, der Legende aus Brighton zuzuhören.

Später gibt es noch eine schöne Gala mit weiteren coolen Bowie-Covern, lustigen Vorträgen und einer witzigen Modenschau. Ein Typ namens Black Cracker war besonders toll.