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Archiv-Artikel

EIN LAND TRAUERT Stillstehen für die Opfer

aus den Niederlanden

GUNDA SCHWANTJE

Jeweils acht Männer tragen die Särge mit äußerster Sorgfalt in die bereitstehenden Leichenwagen, so sanft, als wollte man die Toten im Schlaf nicht stören. Fahnen knattern auf Halbmast im Sommerwind; es sind die vielen Flaggen der Länder, aus denen Bewohner vor gut einer Woche beim Todesflug MH17 in der Ukraine vom Himmel regneten. Die vielen Toten, die auf dem Militärflughafen in Eindhoven aus den Bäuchen eines australischen Herkules-Transporters und einer niederländischen Boeing getragen werden, haben die Menschen im Land nachhaltig berührt. Was passiert ist, ist auch gut eine Woche nach den tragischen Ereignissen in der Ukraine nur schwer zu fassen.

Die unvorstellbar langen Kolonnen glänzend schwarzer Leichenwagen, die nach den Zeremonien auf dem Flugfeld in Eindhoven durch die Flusslandschaft von Maas, Waal und Lek nach Hilversum rollen, machen das Ausmaß der Tragödie fühlbar. 40 Särge mit sterblichen Überresten der Passagiere des Flugs MH17 waren es am Mittwoch, die da an den vielen Menschen entlang der Route nach Hilversum vorbeirollten, 72 Särge am Donnerstag, rund 70 werden es am Freitag sein, und weitere sterbliche Überreste werden am Samstagnachmittag in Eindhoven geflogen.

Menschentrauben auf den Brücken über der A 1, Menschen entlang des Straßenrands. Sie schweigen, sie klatschen wie zur Begrüßung, sie halten den Augenblick mit ihren Handys fest, werfen Rosen und Blüten auf die Fahrbahn, wischen Tränen weg, als die lange Kolonne passiert.

Die Niederländer stehen unter Schock und trauern. Seit Mittwoch erweist man den toten Passagieren des Flugs MH17 nun die letzte Ehre, drückt kollektiv Mitgefühl aus, versucht Trost zu spenden für die Hinterbliebenen, die Familienangehörigen, Freunde, Kollegen, Nachbarn.

Würdig und mit Respekt vor den Toten Abschied nehmen, Stillstehen bei den Opfern, das wollten die Niederländer. Der Nationale Trauertag am Mittwoch entstand auch durch den Druck aus den sozialen Medien und war binnen 24 Stunden bemerkenswert professionell organisiert. Die Nachricht vom Absturz der malaysischen Maschine und wer in dem Todesflieger saß, hatte sich ja in rasendem Tempo, auch Dank der sozialen Medien, verbreitet.

Die 194 Niederländer, die beim Absturz ums Leben gekommen sind, kamen aus Städten und Dörfern im ganzen Land, aus Hilversum und Brummen, aus Haarlem und Groningen, aus Breda und Maastricht. Ein Querschnitt der Bevölkerung des kleinen Landes ist in der Ukraine in den Tod gestürzt. Plötzlich, mitten im Frieden im eigenen Land, werden die Niederländer mit dem Krieg in Osteuropa konfrontiert.

„Wir wissen, das manche Dinge zu groß für uns sind. Zu groß, um sie allein zu tragen“, hat die Pastorin Jannie Nijewing bei dem Erinnerungsgottesdienst, der in Amersfort gehalten wurde, gesagt. Damit drückte sie das Gefühl vieler Menschen aus, die einander in den vergangenen Tagen an vielen Orten aufsuchten, Blumen niederlegten, in Kondolenzbücher eintrugen. Trauer vereint, was zu anderen Zeiten ja nicht unbedingt so fühlbar ist.