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Archiv-Artikel

EIN GESETZ GEGEN ZWANGSHEIRATEN FÖRDERT DIE SELBSTBESTIMMUNG Kritik ist besser als Ignoranz

Baden-Württemberg ist das Heimatland des Kopftuchverbotes. Ausgerechnet von dort kommt nun die nächste Initiative, die Einwanderer und ihre Sitten zum Problem erklärt. Das Strafgesetzbuch soll um eine Vorschrift ergänzt werden, die Eltern mit Strafe bedroht, wenn sie ihre Kinder zu einer arrangierten Ehe zwingen.

Dabei sind die Unterschiede zum Kopftuchverbot deutlich. Frauen, die ihre Haare verhüllen, beharren darauf, dies freiwillig zu tun, und werden vom Staat dennoch sanktioniert. Bei der Zwangsheirat wird tatsächlich nur die unfreiwillige Unterwerfung unter patriarchale Sitten bestraft. Die jungen Frauen, und teilweise auch Männer, sind hier eindeutig Opfer. Sie würden sich ihren Ehepartner lieber selbst aussuchen.

Damit es zu einer Bestrafung kommt, müssen die Zwangsverheirateten in der Regel selbst bei der Polizei aussagen. Letztlich bestimmen sie, ob sie das Strafrecht zu ihrem Schutz einsetzen wollen. Dennoch besteht die Gefahr, dass die Diskussion um die Zwangsheirat vor allem rassistische Stereotype befriedigt. Ausländer, insbesondere Türken und Muslime, werden wieder als diejenigen vorgeführt, die mit frauen- und freiheitsfeindlichen Gebräuchen nicht nach Deutschland gehören.

Doch dieses Risiko muss wohl eingegangen werden. Deutschland ist ein Einwanderungsland und scheint dies langsam auch zu akzeptieren. Deshalb ist es durchaus ein gutes Zeichen, dass sich die Mehrheitsgesellschaft mit den Einwanderern auseinander setzt. Harte Kritik ist dabei besser als Ignoranz. Nur wer von Migranten die Beachtung unserer freiheitlichen Errungenschaften fordert, ist auch bereit, sie mit den Einwanderern zu teilen. Anders gesagt: Wer Pflichten einfordert, akzeptiert eher, dass er auch Rechte gewähren muss.

Wahrscheinlich ist der Kampf gegen Zwangsheiraten hierfür viel besser geeignet als die Abwehr des Kopftuches. Denn die freie Wahl des Ehepartners ist Ausdruck der menschlichen Selbstbestimmung. Von einer staatlichen Bekleidungsvorschrift lässt sich das kaum behaupten.

CHRISTIAN RATH