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Durchs DröhnlandWirklich wunnebar

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der nächsten Woche

Die Aufregung hat sich gelegt, und Morbid Angel sind wieder, was sie wohl immer waren und immer sein wollten: ein paar schlichte Langhaarige mit Hang zu schnellem Spiel und Kotzbrockengesang. Das nennt man in Fachkreisen Deathmetal, aber auch die waren im letzten Jahr einigermaßen geschockt, als der Sänger meinte, einige unpassende Bemerkungen über Afrikaner fallenlassen zu müssen, und die nachforschende Journaille auf einer Platte die Danksagung an „einen Führer aus der Vergangenheit“ fand.

Wer damit denn nun gemeint war, wurde zwar nie restlos geklärt, aber die Hysterie in den einschlägigen Metaller-Magazinen legte sich wieder. Die musikalische Bedeutung von Morbid Angel als eine der Pioniere von Death und immer noch eine der härtesten Bands im Gewerbe war sowieso nie in Zweifel gezogen worden. Auch – oder gerade weil – sie sich hin und wieder dann doch zu Gitarrenriffs in menschenmöglichen Geschwindigkeiten und einem Anflug von Melodie hinreißen lassen, was zudem ihre Anziehungskraft auf eher Unentschlossene ungemein verstärkte. So bilden sie auch diesmal wieder die Headliner zu einem „Full of Hate“ geheißenen Festival, das dem Nachwuchs eine Chance gibt. Cannibal Corpse, Unleashed, Samael und Disgust versuchen diesmal den Aufstieg zu schaffen.

Heute, 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108–114, Neukölln.

Den Mann noch vorzustellen, werden mir die Jazzfans zwar nicht verzeihen, aber trotzdem: Charlie Haden ist ohne Zweifel einer der besten Bassisten des Jazz. Seit mehr als einer Dekade nun gewinnt er in schöner Regelmäßigkeit die jährlichen Polls des Jazz-Zentralorgans Downbeat. Daß er es als Bassist überhaupt zu einem eigenen Quartett gebracht hat, sagt schon einiges aus. Seine Combo bevorzugt einen gepflegt schmeichelnden Ton, der hin und wieder gerne in Barbeschallung abgleitet. Er selbst meint, er vertont die Welt der Romane von Chandler, und da ist auch was dran.

Morgen, 22 Uhr, Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaack-/ Ecke Dimitroffstraße, Prenzlauer Berg.

Das waren noch Zeiten, als man beim Konzert einer Band beschließen konnte, selbst so wasaufzumachen, und trotzdem noch zur Institution derselben Welle wurde. Die Kapelle, die dieses einschneidende Erlebnis bei einem Clash-Gig im Jahr des Herrn 1977 machte, nannte sich Stiff Little Fingers nach einem Vibrators-Song, löste sich 1983 auf, um sich vor fünf Jahren wieder zusammenzutun. Im Gegensatz aber zu den Lurkers oder anderen, die denselben Versuch starteten, klingt ihr Punkrock noch halbwegs knackig und eben nicht 15 Jahre alt. Hübsche Gelegenheit, Freunde von vorgestern wiederzutreffen.

Am 12.4., 20.30 Uhr, marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg.

Erinnern wir uns noch einmal: Als rockmusikalisch Mitte der Achtziger in den USA nicht viel Aufregendes zu holen war, wurde kurzerhand Australien entdeckt. Da gab es das Label Flying Nun, und die brachten einen schönen Sampler voll spinnerter Popmusik heraus – fertig war der Kult. Niemand schien dabei zu bemerken, daß die neue musikalische Großmacht weniger Einwohner hatte als Gesamtberlin. Und neben Flying Nun, zuständig für flirrenden Pop, gab und gibt es tatsächlich noch ein zweites Label von Rang. X/Way hat sich eher dem Verschrobenen angenommen, was esda unten reichlich zu geben scheint. So auch This Kind of Punishment, die schon vorher wußten, daß sie kultig werden würden, und in weiser Voraussicht niemals mehr als 500 Stück ihrer Ergüsse pressen ließen. Betreiber von X/Way und mit seinem Bruder bis 1987 zusammen This Kind of Punishment ist Peter Jefferies, für den Musik in erster Linie Nabelschau ist. Das fristet ein schaurig unbeholfenes Dasein, frißt sich in die Abgründe der Seele und wird konsequenterweise extra auch mal nur als Kassette veröffentlicht. Jefferies spielt Piano und Schlagzeug und singt schon mal zur Waschmaschine oder besser, er flüstert, erzählt von all den widerlichen Dingen, die man findet, wenn man zu tief gräbt. Sein Kumpel ist Alastair Galbraith: Exakt gleicher musikalischer Ansatz, aber dafür der überzeugte Einzelgänger. Ausnahmen macht er für Menschen wie Jefferies. Und er benutzt Gitarre und Violine für die Seelenpein. Zusammen dürften die beiden Syd Barrett aus der Heilanstalt jagen und dort dann zusammen mit Daniel Johnston eine flotte Jam hinlegen.

Am 13.4., 21 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg.An den Doughboys ist nun wirklich überhaupt nichts Besonderes: Kommen aus Kanada, machen halt Rock mit reichlich Gitarren, sind zu viert und noch recht jung, haben es inzwischen zum Major-Label geschafft. Wirklich nichts Besonderes auch ihr melodiöser Hardrock, aber halt wie melodiös. Das wird so unverschämt dummdreist immer die logische Tonfolge gewählt, daß man sich nur mehr schämen möchte, aber es trotzdem klasse findet. Immer schön laut, immer geradeaus, nur in Notfällen balladesk, immer Vierviertel, weil das gibt ein Ganzes, das macht die Sache rund. Es ist so widerlich – ich wiederhole mich, ich weiß –, aber schlicht genial. Laßt mich nur eine Stunde noch von der heilsbringenden Unschuld der Gitarre träumen.

Am 13.4., 21 Uhr im Huxley's Junior.

Der Mann sieht zwar immer noch aus, als sei er gerade volljährig geworden und mithin im besten Popalter, aber Nikkolai Weidemann hat schon einiges auf den schmalen Schultern. Mit zarten neun Jahren sang er Michael Holms legendäres „Mendocino“ für die Aktion Sorgenkind und nur zehn Jahre später war er dann soweit, seine Schlagererfahrungin den Dienst der Experimente der Neuen Deutschen Welle zu stellen. Die Stationen hießen 1. Futurologischer Kongreß, Flucht nach vorn, Mona Mur. Die persönliche Flucht führte ihn danach gen New York, wo er den schlichten Popsong gegen die Spielereien seiner Lehrjahre eintauschte. Kaum zurück verschaffte er dem Blue-Eyed-Soul mit der Band Mad Romeo, zwei Hits und ausufernden TV-Einsätzen ein kurzzeitiges Zwischenhoch. Wieder mal gewandelt geht er nun als Nikko & The Passionfruit, für die er sich aus Lokalgrößen wie Rasca Cocous und No Harms das Personal rekrutierte, seiner neuesten Vision vom Pop nach, die eine sehr bodenständige, weil handgemachte ist. Dabei gelingt dem Berliner Quartett zwar des öfteren wirklich veritables Popfutter, aber der ganz dem Handwerk verpflichtete Ansatz steht doch ein wenig neben der Zeit. Doch immerhin – und das war bei der Besetzung klar – die Harmoniegesänge sind wirklich wunnebar, die Gitarren perlen schön altmodisch, und Freund Weidemann wird vielleicht doch noch der deutsche Lenny Kravitz.

Am 14.4., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg. Thomas Winkler

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