Durchs Dröhnland: Da lacht der Gruppenzusammenhang
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Leder und Lack sind erst mal die Dinge, die sprichwörtlich ins Auge fallen, wenn einem Gitane Demone über den Weg läuft. Doch daß diese Ausstattung nicht nur ein möglichst gut verkäufliches Image vermitteln soll, sondern jene etwas weniger verbreiteten sexuellen Neigungen durchaus gelebt werden, stellt Demone unmißverständlich in ihren Texten klar. Gitane Demone war Background-Elfe bei Christian Death, jener Dark-Wave-Combo, die ausgerechnet im so klischeehaft sonnigen Kalifornien auf die Idee kam, die kühleren Nächte vorzuziehen. Seit 1989 nun schon hat sie ihren krisensicheren Arbeitsplatz aufgegeben und ist nach Amsterdam umgezogen, um von dort aus ganz selbsttätig ihre Vision vom Gothic zu verbreiten. Auch musikalisch hat sie sich doch ein ganzes Stück von ihren ehemaligen Mitstreitern entfernt und produziert – ihrer getragenen Stimme durchaus angemessen – vornehmlich Balladen in eher konventionellen Arrangements und Instrumentierungen. Gar ein gewisser Hang zum Chanteusentum läßt sich nicht verleugnen. So oder so bleibt vor allem Platz für ihre Stimme, die souverän eine distanzierte Kühle mit umarmender Wärme verbindet, auch wenn ihr Vorbild Billie Holiday weiterhin unerreicht bleibt. Hin und wieder versucht aber ihre Band, genau jenen reduzierten Jazz einzubauen, der noch so nah am Blues ist. Auf der anderen Seite hat sich Gitane Demone aber auch schon zusammen mit Mark Ickxx von A Split Second in einem Projekt namens Demonix versucht. Hier nun kontrastiert die mechanische Kälte des Ickxxschen Elektronik-Blubberns erst recht mit der schweren Süßlichkeit ihrer Stimme. Doch weder das eine noch das andere taugen als Soundtrack für „liebe sünde“, erst die explizite Ausformulierung der Verbindung von Gothic und offensivem S/M, die man aufgrund ähnlicher Ästhetik schon immer heimlich vermutet hatte, erhebt Gitane Demone von der außergewöhnlich guten Chanteuse zum Ereignis. Von den Texten über die Covergestaltung bis zu den Live-Auftritten beherrscht das Thema ihr Tun, doch wie der gute Onkel hat auch die zweifache Mutter den Zeigefinger erhoben, denn am Ende findet der Suchende, der auf dem Demonix- Album „Never Felt So Alive“ von einer extremen sexuellen Erfahrung zur nächsten taumelte, „die Liebe und die Hoffnung, daß Sex noch mehr sein kann“. Das allerdings hält Demone nicht davon ab, bei ihren Auftritten hin und wieder sehr explizit zu werden und schon auch Dildos zu schwenken und wenig mehrdeutig eindeutige Dinge anzudeuten. Was halten ihre Kinder davon?
Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.
Die sind nett. Bekennende Dilletanten, die halt den das spielen lassen, was er gerade kann. Da lacht der Gruppenzusammenhang, quietschen die Cello-Saiten, quält das Akkordeon, krächzt schüchtern die Posaune, und der Rest aus Gitarre, Schlagzeug und Baß versucht, nicht weiter groß aufzufallen. Auch der Sänger kriegt seine Zähne kaum auseinander, weder bei den freundlich dahingetröpfelten Balladen noch beim etwas flotteren Stoff. Wenn Britannia Theatre langsam und bluesig werden, erinnern sie mit den fiesen Zwischentönen zwar an Gallon Drunk oder an die Beasts of Bourbon, lassen dabei aber jede Ersthaftigkeit vermissen. Anstatt das irgendwie böse und bedrohlich zu meinen, wie sie es sollten, sticht da eine fast schon penetrante Freundlichkeit ins Ohr. Und wenn's schneller wird, so nach dem Motto: hier werden jetzt Sauf-Hymnen abgeliefert, kommt es einem vor, die Pogues wären Abstinenzler geworden und lachen sich krank darüber. Dann gibt es aber auch Lieder, die ganz und gar nichts mit alledem am Hut haben, aber wo so komische Klänge eingeschoben sind, daß man sich fragt, wer denkt sich so was ernsthaft aus? Entweder sind die sechs Herren musiktechnisch wirklich so schlecht, daß sie nichts unter Kontrolle haben, wie sie behaupten, oder unglaublich clever. Ich tippe auf letzteres.
Mal ganz abgesehen davon, daß das Demo-Tape von Britannia Theatre das lustigste und zugleich ernsthafteste, dabei das unerwarteste und beste ist, das ich seit langer Zeit gehört habe, seid Ihr alle da draußen sowieso verpflichtet, den Schokoladen an diesem Wochenende knüppeldickedick zu füllen, weil nämlich schon wieder mal der Mietvertrag ausläuft und demnächst Schließung oder zumindest zum zweitenmal die Illegalität droht. Deshalb am Samstag und Sonntag noch Live- Musik, Filme, Bar, Ausstellungen und Party. Und wo schon kann man für nur fünf Märker Eintritt noch Live-Musik sehen?
Heute, 22 Uhr, Schokoladen Mitte, Ackerstraße 169/170.
Es ist ja nicht unbedingt was völlig Neues, daß in der Gegend um New Orleans eine Musik stattfindet, die mit dem restlichen Geschehen in den Vereinigten Staaten so gut wie nichts zu tun hat. Im Cajun Country laufen die Uhren so was von anders, daß nicht nur wir hier kaum etwas davon mitkriegen, sondern auch in den USA selbst keine Rolle spielt, was zum einen sicherlich daran liegt, daß oft noch im Cajun-French gesungen wird. Wenn denn etwas hinausdringt, ist es entweder der klassische New-Orleans-Soul wie von den Neville Brothers oder bestenfalls Cajun Music, während man Zydeco selbst im French Quarter mit der Lupe suchen kann und nicht findet. Vielleicht liegt es auch daran, daß der Zydeco noch relativ nahe am Rhythm & Blues dran ist, auch wenn die Rhythmussektion so gut wie immer mit einem zweckentfremdeten Waschbrett verstärkt wird. John Delafose & the Eunice Playboys gehen meist sogar noch weiter hinter den R&B zurück. Bei ihnen finden sich viele Walzer oder gar die kurze, trockene Rhythmik, die man eher von weißem Country kennt. Geige, Akkordeon und natürlich vor allem der zwar englische, aber von der Intonation eher weiche, französiche Gesang sorgen für den typischen Louisiana-Klang des Familienunternehmens (übrigens eine schöne und dort ja auch sehr verbreitete Sitte, gerne mit Verwandten nicht nur zu Hause Musik zu machen).
Am 4.8., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg Thomas Winkler
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