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Durchs DröhnlandBryans umdefinierte Pomadigkeit

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der Woche

Er nennt sich Attila The Stockbroker, ist ein Kind der Punkrevolution und seine 15jährige Bühnenkarriere fast so alt wie diese. Früher war er Fußballjournalist und Dolmetscher an der Londoner Börse, was immerhin den Zusatz seines Pseudonyms erklärt. Später wurde er Musiker, Poet, Komiker und Fußballfan. Bereit, diese Bereiche fein säuberlich voneinander zu trennen, war er nicht. So wurde er, obwohl nicht denkbar ohne die Freiheiten, die Punk geschaffen hatte, zu einem der damals seltenen Grenzgänger zwischen den wütenden Jungen und den langweiligen alten Fürzen. Ob nun Punk-, Folk- oder Comedy-Festivals, Attila war überall, wo ihm Leute zuhören konnten. Genauso vielfältig waren und sind denn auch immer noch seine Ausdrucksformen: Rezitationen ohne Musik oder zu Klassik, ob Mandoline, Geige oder Gitarre, ob akustisch oder elektrifiziert — wichtig sind eh nur seine Texte. Ironisch oder von sehr grober Sprachkraft, dämlich blöde oder streng analytisch — Attila weiß alles besser und sagt es jedem. Übrigens auch auf deutsch.

Heute, 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg.

Wenn man so tut, als begänne Bandgeschichte mit der ersten Platte, sähe es aus, als hätten sich Punishable Act innerhalb allerkürzester Zeit in die Spitze deutschen Hardcore-Schaffens katapultiert. So flächendeckend kassierten sie in den einschlägigen Fanzines Lobhudeleien ein, als stünde die Rettung des Abendlandes unmittelbar bevor. Tatsächlich aber haben die Herren schon ein Jahrzehnt in diversen, aus bekannten Gründen unveröffentlichten Ostberliner Kapellen hinter sich. So klingt denn auch der Erstling „Infect“ sehr souverän nach lang abgehangenem Wissen, das aber absolut nichts Neues hinzufügt. Die einschlägigen Vorreiter des Genres wie Motörhead oder Suicidal Tendencies wurden eingehend studiert, gelernt hat man dabei, daß es Rhythmuswechsel, ein fieses Organ, mehrstimmig gegrölte Refrains von höchstens drei Worten Länge und einen satten Gitarrensound braucht. Das ist so langweilig wie nur was, aber schön für das Quintett und all die restlich verbliebenen Punkrocker. Und wenn sich alle freuen, die dran beteiligt sind, soll man nicht meckern.

Morgen, mit vier anderen Hardcore-Bands, 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg.

Auch mit klassischer Trio-Besetzung gelingt es Blendwerk nicht, dem Punkrock eine neue Chance zu verschaffen. Auffälligstes Merkmal in der üblichen Suppe aus Breaks und Lärmausbrüchen sind noch die deutschen Texte zwischen Kreisch und Melodieansatz. Live sollen ausufernde Improvisationen gar ins Jazzige lappen, auf Demoband bleibt's zu brav für modernen Hardcore und ist zu krachig für finanziell erfolgversprechenden Rock.

Morgen, 22 Uhr, im Schoko-Laden Mitte, Ackerstr. 169/170.

Es waren einmal die 80er Jahre, und man glaubte allgemein und auch ziemlich fest daran, daß man mit Popmusik etwas ändern könnte. Man analysierte die Texte von Gang of Four, tanzte zu Soft Cell, kaufte sich den ersten Anzug zu Heaven 17 und verliebte sich zu Yazoo in die Sängerinnen von Human League. Damals war Synthie-Pop noch kein Schimpfwort, sondern fast noch Untergrund, man definierte die Pomadigkeit von Bryan Ferry einfach als subversiv um und gab sich der Illusion hin, Polit-Pop könne auch Spaß machen und hätte was mit Sinnlichkeit zu tun. Dann kamen ABC einen kurzen, heftigen Sommer lang, und hinterher hatten alle einen Kater. Kaum zu glauben, daß (ausgenommen natürlich die notorischen Depeche Mode) heutzutage noch jemand versucht, Maschinen nach Maschinen klingen zu lassen, und trotzdem den Soul in den Schaltkreisen sucht. Psyche aus Kanada schon. Dabei können sie das lebenslustige Gepiepse, das immer so nach allzu guter Kinderstube klingt, ebenso wie das tiefe, dumpfe Blubbern, das gerne als sexuelle Mißlaunigkeit verstanden wird und von Soft Cell am überzeugendsten vorgeführt wurde. Deren „Sex Dwarf“ covern sie denn auch, bleiben allerdings hinter dem Original zurück.

Morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.

Die letzte Gitarrenpop-Hoffnung aus einem Berliner Hinterhofkeller heißt in dieser Saison Lovebomb. Ihr erstes Demotape klingt zumindest vielversprechend, wenn auch absolut überraschungslos. Immerhin sind sie in der Lage, ein paar Melodien abzuliefern, die zwar schon reichlich abgenutzt sind, aber mit der nötigen Überzeugung von der eigenen Größe vorgetragen werden. Von ihrem Versprechen allerdings, daß sie „noise & melody“ verbinden würden, lösen sie die erste Hälfte nicht ein.

Morgen, 22 Uhr, Acud, Veteranenstraße 21, Mitte.

Jetzt hat Die Allwissende Billardkugel auch noch 'n Konzeptalbum gemacht, schließlich ist das jetzt gerade wieder modern. Immerhin haben sie sich dabei, wie es ihre Art ist, nicht so sehr mit dem eigenen Bauchnabel beschäftigt, sondern kommen vom persönlichen Befinden überaus straight zum Allgemeinen und landen rasant wie immer beim Fernsehen als Symptom/Ursache/Vermittler allen Übels. Das Werk nennt sich denn „Vs. CNN“ und richtet sich sehr explizit an diese Mutter aller Nachrichtensender. Nun ist die Medienkritik beim Hamburger Duo nichts Neues, schon vor Jahren dichtete man über den Sensationsjournalismus: „Unten auf der Straße sammelt sich die Menge / Und ihr zersplitterter Körper liegt mitten im Gedränge / Das Wichtigste ist das, was niemand von ihnen erkennt / Der Fetzen in ihrer Hand ist ein Fetzen von meinem Hemd.“ Inzwischen haben ihre Texte tatsächlich eine lesbare Eleganz ereicht, ohne so verknödelt wie bei Blumfeld anzukommen. Und selbst die musikalischen Tricks, die die Billardkugel hin und wieder recht anstrengend machten, wurden aufs Nötigste reduziert. Mit dem Abschied von der Exzentrik reihen sie sich aber leider auch fast zu stromlinienförmig in die Hamburger Szene ein.

Morgen, 23 Uhr, Eimer, Rosenthalerstraße 68, Mitte, am 18.12., 21 Uhr, Penetrantes Cinema, Rigaer Straße 80, Friedrichshain.

Zuständig für bedrohlich rumpelnde Beats oder wahlweise Industrial-Stomp sind diesmal unsere Frankfurter Freunde von Bigod 20. Das Trio hatte sogar die Ehre, eine Szene von Sharon Stone und Alec Baldwin in „Sliver“ mit ihren glucksenden Geräuschen zu betonen. Damit war die Berühmtheit gesichert, einige Clubhits folgten, so die Coverversion „Like A Prayer“ ihres Label- Mates Madonna. Und man mauserte sich zum Mittelpunkt einer recht rührigen Dancefloor-Szene in der Main-Metropole, die sich nicht um herrschende Grabenkämpfe schert, aber erfolgreich das Bankkonto zu füllen versteht.

Am 18.12., 22 Uhr, Knaack Thomas Winkler

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