Durchs Dröhnland: Lustig, Laune, Party
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Eine der nettesten und am hurtigsten wieder vergessenen Launen des Independent-Marktes hierzulande war die Entdeckung der neuseeländischen Szene. Nur einige wenige Bands konnten ihren eh schon minimalen Bekanntheitsgrad durch fleißiges Touren in Europa halten.
This Kind of Punishment blieben damals außen vor, weil sie nicht bei einem der beiden wichtigen neuseeländischen Labels herauskamen. Erst posthum werden die Platten der Band um die beiden Brüder Graeme und Peter Jeffries nun von „zeitlos“ (Spex) bis „wegweisend“ (Zap) eingeordnet. The Cakekitchen, aktuelles Ausdrucksorgan von Graeme, führen fort, was This Kind of Punishment begonnen hatten, wenn sie auch auf deren manchmal orchestralen Ansatz zumeist verzichten. Das große Songwriting, die verschachtelten Ideen kontrastieren mit der bewußt in Kauf genommenen Low-Fi-Aufnahmequalität, die allerdings nie zum Selbstzweck verkommt wie bei den Becks dieser Welt.
Deren Erfolg aber dürfte für die trotz gelegentlicher Lärmanfälle meist entspannt dahinsegelnden Songperlen von Graeme Jeffries immerhin bessere Voraussetzungen schaffen, die neuseeländische Isolation dauerhaft zu überwinden.
Am 27.1. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow
Wenn irgendwas in Berlin o.k. rult, dann ist es der Crossover, dem auch Mr. Ed Jumps The Gun huldigen. Zuletzt wagten sie es sogar, einen solchen Klassiker wie „Wild Thing“ zum HipHop-Metal zu prügeln. Das gelang. Ergebnis: lustig, lustig, Laune, Party. Die gibt es denn auch heute zum Erscheinen ihrer neuen Platte.
Record Release Party am 27.1. um 21 Uhr im SO 36, Oranienstr. 190, Kreuzberg
Es gibt offensichtlich Menschen, die halten Großkotzigkeit für eine Zierde. Donato Wharton aus Stuttgart scheint so ein Fall zu sein, wenn er Sachen sagt wie: „Grunge ist am Ende, ausgebrannt“ oder: „Die Aggressivität der Rock & Roll-Historie, gepaart mit der Sanftheit, Ruhe und Melancholie von vier jungen Burschen – das ist der Weg, den der Rock & Roll im nächsten Jahrtausend gehen muß. Das ist unser Weg!“
Sie haben es sich gedacht, der Mann spielt in einer Band. Diese heißt Amber Street und macht, das muß man leider sagen, eben nicht den R & R des nächsten Jahrtausends (wenn es den denn da unbedingt noch geben muß), sondern einen satten, gut durchdachten, extrem stilsicheren Mainstream-Rock, der in seiner schlaffen Abgehangenheit eben gerade ohne Grunge nicht denkbar wäre. Aber der Herr Wharton ist auch erst süße achtzehn Jahre alt, die Arroganz sei ihm verziehen, denn immerhin hat sein Bruder Marcel eine Stimme wie Eddie Vedder, und auch was die epische Breite ihrer Songs angeht, können die vier Stuttgarter mit Pearl Jam mithalten.
Am 17.1. um 1 Uhr im Café Swing, Nollendorfplatz, Schöneberg
Eine schüchterne Gitarre, ein freundlicher Bass, ansonsten hauptsächlich Perkussion, das muß genügen, um die mehrstimmig verzwirbelten Gesänge zu unterstützen. Roots Amamomo kommen aus Ghana, haben dort schon reichlich Auszeichnungen gewonnen und bisher noch jeden zum Tanzen gebracht, der sich auf afrikanische Musik zwischen Tradition und dortigem Pop einlassen will.
Am 28.1. um 21 Uhr im K.O.B., Potsdamer Str.157, Schöneberg
Noch ein Record Release. Diesmal Irrgardn, eine der wenigen Berliner Bands, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich am Deutschsingen versuchen. Die Texte sind recht verquast, die Musik eigentlich auch, und deshalb hat man selbst schon erkannt, daß „Ähnlichkeiten und Abgrenzungen zur neuen Hamburger Schule kein Zufall sind“. Aber dies ist ein Erstling, und mit einem Hauch weniger Ernst und einer guten Portion groovender Lockerheit sind Irrgardn ausbaufähig.
Am 28.1. um 23 Uhr im Eimer, Rosenthaler Str. 68, Mitte
Es wird Zeit für neue Helden, die es auszugraben gilt. Iain Matthews war zwar nur gut ein Jahr Ende der Sechziger Sänger von Fairport Convention, aber prägte als Gründungsmitglied jener legendären Britband die Vorstellungen von Folkrock bis heute. Denn Fairport Convention entwickelte sich trotz massenhafter Umbesetzungen zum einflußreichsten Faktor des elektrifizierten Folk. Um Matthews, der inzwischen in den USA lebte, wurde es ruhiger. Er verließ Bands, wenn sie drohten erfolgreich zu werden, und wechselte Plattenfirmen ähnlich schnell wie Unterhosen.
Durch den hauptsächlich aus San Francisco kommenden Neofolk wird nun auch Matthews wieder in die öffentliche Aufmerksamkeit gespült, günstigerweise zum Zeitpunkt eines „kreativen Hochs“ (tip), das einer Phase „bescheidener Originalität“ (Rororo- Rocklexikon) Ende der Achtziger folgte. Da der Neofolk eher mit ideologischen Neubewertungen als mit musikalischen Innovationen glänzte, wirken Matthews neueste Aufnahmen kaum hausbacken oder altmodisch, sondern bestenfalls etwas zu glatt geraten, was allerdings der lockere Swing, den schon Fairport Convention auszeichnete, leicht wegmacht.
Am 28.1. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln
Ähnlich wie die Space Hobos spielen die Weirdo Stompers ausschließlich von den Sixties beeinflußte Instrumentals. Sie hängen allerdings dem leicht Psychedelischen an und vernachlässigen etwas den Rockabilly. Oder auch: Die Weirdo Stompers liefern den Soundtrack zu Italo-Western, während die Space Hobos für „Raumpatrouille“ zuständig sind. Übrigens gehörte die Hälfte des Quartetts schon zu den lokalen Rüschenhemdgrößen Beatitudes und Les Black Carnations, bei denen wiederum mal Katharina Franck gesungen hat, die als Rainbird die große, weite Welt eroberte. Ein Dorf diese Stadt.
Mit Vintage Riot am 28.1. um 21 Uhr im Bierkeller, Siegmundshof 17, Tiergarten
Daß aus dem stagnierenden Genre Metal doch noch was rauszuholen ist, beweisen schon seit längerem Godflesh. Während sich der Großteil der Death- und Thrash-Recken immer noch im Geschwindigkeitsrausch ergeht, versucht Justin Broadrick mit seiner Combo mehr.
Die musikalischen Grundkenntnisse erwarb er sich zunächst als Gründungsmitglied von Napalm Death, als die noch Grindcore spielten und sich die schnellste Band der Welt schimpften, und später bei den Industrial- Rockern von Head of David. Beides verbinden nun Godflesh so virtuos, wie es die Brachialität dieser Musikrichtungen überhaupt zuläßt, setzen akkurat stampfende Heavy-Gitarren neben fusselige Samples und einen bösartig-primitiven Blechstomp, der noch weiß, wo der Vorschlaghammer sitzt.
Dabei braucht Broadrick noch nicht einmal mehr so revalrauchend singen, wie er es früher tat, um die gewünschten Nackenhaare aufzustellen.
Am 2.2. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Thomas Winkler
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