Durchs Dröhnland: Im Spaß verjazzelt
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Ihr Name weckt Assoziationen von rüpelnden, rülpsenden Menschen, die – nachdem sie den Kühlschrank leergesoffen haben – sich der HiFi-Anlage bemächtigen, um möglichst widerliche Musik zu spielen, zu der niemand tanzen will. Und so weit entfernt von dieser Vorstellung liegt die Musik von Party Diktator auch nicht. Die Bremer Kultheroen wurden bereits nach ihrer ersten LP als beste Band der Welt gehandelt. Selten riß eine Band offensiver die eingefahrenen Gleise des Hardcore auf. Es gibt Momente, die erinnern in ihrem wohlgefälligen Chaos fast an Free Jazz, vor allem weil Schlagzeug und Bass den Rhythmus als Squashball benutzen. Die Gitarre ergießt sich in Rückkopplungen, die aber nicht aufs Zahnfleisch gehen, sondern im Dienste des Songs stehen, ebenso wie das Gekreische des Sängers. Oberflächlich gehört, spielen Party Diktator den hektischsten Hardcore, der möglich scheint. Tatsächlich liegt in ihrer Musik aber eine unglaubliche, fast durchdacht scheinende Ruhe und Relaxedheit.
Heute, 24 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz, Mitte
Bei einem „Goo Goo Bar“- Abend kann alles passieren, und das tut es dann meist auch: Unbekannteste Bands freuen sich am eigenen Dilettantismus oder üben sich in klassischem Songaufbau, wissen nicht wohin mit der Spontaneität und der Mundharmonika – und trinken die Theke arm. Anwesend bei „Goo Goo Bar III“ sind Vermooste Vlöten, T.I.P., Phleipo & the 10.000 Supernoyas, Alcohole, Street Set und Flanell Cakes.
Heute, 21 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg
Moody Mardsen hat sich seine Meriten verdient, indem er es fast 20 Jahre zusammen mit David Coverdale ausgehalten hat. Seitdem kann er mit einem Bluesrock hausieren gehen, der wahrscheinlich kaum jemandem interessieren würde, hätte der Mann nicht bei Whitesnake die Gitarre gehalten.
Morgen, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg
Einen der souveränsten modernen Hardcore-Entwürfe lieferten zuletzt Sullen aus dem sonnigen Los Angeles. Ihre Riffs sind Mordanschläge, ihr Sänger schafft es, mit Punkwütigkeit zu rappen und trotzdem den Flow nicht zu verlieren. Wo die Beastie Boys, erklärte Helden von Sullen, sich in Spaßigkeit verjazzeln, bleiben Sullen ernst, daß es schmerzt. Und doch guttut. Thumb aus Gütersloh kicken in derselben Liga, auch wenn ihnen die internationale Härte abgeht.
Sonntag, 20.30 Uhr, marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg
Manchmal – und jetzt werde ich sentimental – kommt es mir vor, als sei es erst gestern gewesen, mein musikalisches Erwachen, die großen frühen Tage des Gun Club, die eine Platte von Motor Boys Motor, für die ich eine Zeitlang alle anderen hergegeben hätte. Die Laughing Hyenas gab es zwar damals auch schon, aber irgendwie gingen die an mir vorbei. Kann leicht passieren bei einer Band, die in mehr als zehn Jahren gerade mal drei Platten zusammenstöpselt. Die dritte, „Hard Times“, bringt plötzlich den besten Trash-Rock mit Blues-Ausbeulungen seit damals (abgesehen vom Meister John Spencer selbst). Sie bringt für einen kurzen Moment das Biest zurück, das hoffentlich immer noch in jedem von uns wohnt.
Mit Slick, So., 21 Uhr. Knaack, Greifswalder Straße 224
Man stelle sich vor, Tom Waits würde Whiskey-Flasche und Zigarette mal beiseite stellen und eine Sucht nach phantasievolleren Drogen und Sex entwickeln. Vielleicht hört sich das dann an wie Gavin Friday. Der hat mit seinen Virgin Prunes Anfang der 80er die Wave-Welt verwirrt, weil auf der Bühne zu sehen war, was andere nur in ihren Texten andeuteten. Konsequenterweise nennt Friday seitdem zu Hause in Dublin einen Vaudeville-Club sein eigen und betätigt sich nun auch auf Platte als gereifter Durchgeknallter, der zu schmalzig tuckernden Beats gar gruselige Geschichten vom alltäglichen Horror erzählt. Wenn er nicht gerade fistelt, als hätte man ihm die Kehle durchtrennt.
Mo., 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg
Das neueste everybody's darling in der Stadt der Engel heißt Alanis Morissette. Begeisterte Kollegen wie die Red Hot Chili Peppers oder Michael Landau stehen Schlange, um mit aufnehmen zu dürfen, Madonna verpflichtete sie für ihr Maverick- Label. Ratzbatz fand sich die Frau in den Top 5 wieder, und da ist sie auch gut aufgehoben. Immerhin beweist sie, daß Mainstream-Rock nicht mehr öde sein muß, und ihre Stimme stellt durch ein Luftholen dort und einen Seufzer hier eine gefangennehmende Intimität her.
Di., 10.10., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Daß man von Kräuterlikör auf komische Gedanken kommen kann, beweisen unsere Braunschweiger Freunde Murder at the Registry. Weil der Mord auf dem Standesamt geschieht, wurden sie ganz traurig und spielen jetzt einen Gruftrock, der sich schon lange nicht mehr gewaschen hat: Gitarren- Putzstreifen und dicke Keyboard-Kleckse.
Do., 12.10., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!
Was dem Ostler seine Keimzeit, ist dem Westler sein Stoppok: Beides nuschelt, beides duddelt so vor sich hin, und beides können nur hundertprozentige Fans so richtig verstehen. Böse nur, daß mich Herr Stoppok irgendwie an etwas erinnert, an das ich gar nicht gerne erinnert werden möchte: Klaus Lage, Gott hab' ihn selig, hoffentlich bleibt der da, wo er ist, und Stoppok geht ihn bald besuchen.
Do., 12.10., 20 Uhr, Tränenpalast, Reichstagsufer 17, Mitte
Thomas Winkler
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