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Durchs DröhnlandIrgend so ein Gefussel machen

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Vor einigen Generationen galten die Angry Samoans mal als die beste Punkband der Welt. Die Überbleibsel dieser Band aus Los Angeles sind nicht totzukriegen, und auch musikalisch hat sich was getan: Der ehdem wütende Samoaner Todd Homer hat sich mit Larry Robinson zusammengetan, um als Mooseheart Faith Stellar Groove Band Gefussel zu machen, das wie ein Soundtrack für Sci-Fi-B-Pictures oder eine Kabarettversion von Pink Floyd klingt. Auch Jeremy Thirbly, der mal in Gitarrenbands die Saiten schlug und später House programmierte, ist ein Wanderer durch die Welten. Zur Erholung quälte er als Matmosphere zu Hause seinen Vierspurrekorder mit Klangmalereien, die fast völlig auf Rhythmus verzichten.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon, Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz

Schöne Platte hat Rio Reiser da gemacht. Hat sich für „Himmel und Hölle“ von träge dahinrollenden Spielmannsliedern leiten lassen, ein paar ebenso alte wie komische Rhythmen und Instrumente ausgepackt, von dieser oder jener Theateraufführung, für die er die Musik geschrieben hatte, einen Song genommen, ein paar neue geschrieben, denn wenn man verlassen wird, ist das doch ein guter Anlaß. Und jetzt steht er zum erstenmal seit sechs Jahren wieder auf der Bühne.

Morgen, 20 Uhr, Freilichtbühne Weißensee

Im Kampf gegens Techno- Establishment und dessen „blinden Partyspaß“ hat Alec Empire nicht allzu viele Mitstreiter. Also freut sich der Kopf von Atari Teenage Riot um so mehr, wenn er Gleichgesinnte findet, wie Ec8or, die er gleich für sein Label einkaufte. Im Info erklärt er kurzerhand: „Es gibt nichts Vergleichbares.“ Das ist möglicherweise wahr, denn das Duo aus der inzwischen in Berlin lebenden Programmierlegende Patric und Gina, die früher mal bei den Lemonbabies, mal bei Throw That Beat den Sixties huldigte, lehnt es wie ATR ab, den Tänzern durchgängige und freundlich eingängige Beats zu liefern, sondern zerfetzt die Technostrukturen. Im Gegensatz zu ATR sind sie allerdings wesentlich weniger kreischend, sondern brummen meist dumpf gothic- und industrialmäßig daher.

Morgen, 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68

Wir reden hier von fett, richtig fett, fett in allem. Ob Produktion, integrierte Stile oder Sprachen, die TCA Microphone Mafia kann von allem nicht genug kriegen. Das Kölner Quartett hat nicht nur türkische, italienische und deutsche Wurzeln, sondern rappt auch in vier Sprachen, schreckt nicht vor Schweinerock-Intros zurück und kann ebenso West- wie Eastcoast. Mal grooven sie verführerisch wie ein schwüler Sommertag, mal knallen die Beats wie ein Schußwechsel. Sie sampeln die einschlägigen Jazz-Loops, türkische Folklore und Rockriffs. Nichts ist sicher vor der Mafia.

Morgen, 21 Uhr, Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76/78, Potsdam; am 26.5., 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagsufer 17

Sollte man sich in den Grenzbereich zwischen Schlager und Deutschrock begeben? Das Kölner Trio Eisen kann es zumindest und kriegt einen irgendwie auch am Kragen, auch wenn die Assoziationen eher gemein sind: Wolf Maahn! Was soll's, solange jemand noch so überzeugend pfeifen kann, während er verspricht: „Heute bleibst du nicht allein.“

Am 27.5., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36/39

Fedayien behaupten, sie würden Free Jazz spielen. Ich behaupte mal, sie dehnen das Wörtchen „Free“ ganz schön aus. Von gemeingefährlichem atonalen Geklopfe bis zu süßlicher japanischer Folklore reizt das Trio aus Tokio alles aus. Ehrlich gesagt kann ich mir keinen Free-Jazzer hierzulande vorstellen, der so was wagen würde.

Am 28.5., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53/55

Kritikers liebstes Kind ist M. Doughty, der es schaffte, mit seinen Soul Coughing den Wortfluß der Beatniks in eine bohemisierte Version von HipHop einfließen zu lassen. Er selbst war mal Schreiber, aber auch Türsteher in der New Yorker Knitting Factory. Seine Musik hat mal was Experimentelles, mal etwas zu viel Intellekt, aber unerklärlicherweise finden sie immer wieder den Notausgang in eine bisher selten besuchte Welt, in der Poesie tanzbar geworden ist. Neal Cassady hätte es gefallen.

Am 28.5., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz

Der Mann hat einiges hinter sich: Brieffreund von Allen Ginsberg (der ihm später ein paar Gedichte zum Vertonen überließ), als Heyday-Label-Macher die graue Eminenz des Neo-Folk aus San Francisco, und er stellte die Compilation „Hit Me With A Flower“ zusammen. Er kennt jeden und alle und versammelt sie deshalb gerne für die Aufnahme zu seinen eigenen Platten. Seit einigen Jahren lebt er in Bonn. Wer das überlebt, der macht ebenso extrem abgehangene, weisheitstrunkene, trotzdem immer knarzige, wundervolle Musik wie Pat Thomas.

Am 28.5., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108-114

Weil Felljoppen wieder tragbar sind, fette Gitarren gerne gehört werden und die siebziger Jahre doch keine so schlechte Zeit gewesen sind, gibt es auch eine Zukunft für Instant Karma. Das Quartett aus Osnabrück und Münster läßt mit feisten Gitarrenwänden noch jeden Plattenbau erzittern, hat ein paar großmächtige Melodien im Angebot und hört sich wahrscheinlich in Fußballstadien am allerbesten an.

Am 29.5., 21 Uhr, mit Hoover, im Trash, Oranienstraße 40/41 (Eintritt frei)

Auch in Düsseldorf weiß man eine Gitarre zu verzerren, weshalb die Huskies & Dolphins gerne mit Yo La Tengo verglichen werden oder sogar mit Sonic Youth, mit Tom Petty hin und wieder, und ein Mensch aus Heidenheim wollte gar Baßlinien von Joy Division herausgehört haben, aber das geht dann doch zu weit. Der Rest aber, der stimmt irgendwie, ja, doch, irgendwo schon. Gute Band übrigens.

Am 30.5., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64 (Eintritt frei). Thomas Winkler

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