Durchs Dröhnland: Groß wie die Hölle
■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche
Erlangen ist eine gar zu liebliche Studentenstadt mit einer Fußgängerzone so groß wie die Hölle. Aus diesem Abort Frankens kommen Fiddler's Green, die erste Band, die es meines Wissens wagte, ein irisches Traditional mit einem Off-Beat zu versehen. Weshalb auch gerne Pogo getanzt wird auf ihren Konzerten – und das zu Folkrock. Denn auf der Bühne können sie eine Stimmung wie die Pogues ohne deren Tränendrüsendrückerei erzeugen, weshalb man sich auch nicht von den manchmal arg glatt produzierten Platten abschrecken lassen sollte.
4. 10., Franz, Schönhauser Allee 33–36
Ahh, das brettert und brummelt, wunnebar. Als wären die letzten drei, vier Jahre nicht passiert, kotzen Strain ihren Hardcore raus. Als hätte man nicht auch in diesem schwerblütigen Gewerbe inzwischen die Leichtigkeit des Grooves entdeckt, als wäre man nicht davon abgekommen, daß Sänger nur grummeln können müssen. Das Quintett aus Kanada ist herrlich altmodisch, keine HipHop-Anfälle, keine Crossover-Ausflüge, das hier ist der reine Stoff. Und der Sänger brummelt tatsächlich noch von einem „wir“, das eingefangen ist hinter Wänden oder getrieben von einer Flamme. Die lutschen die harten, zähen Gitarrenriffs wie andere Leute Hustenbonbons: Ein bißchen würgt es einen, aber schlußendlich macht es halt den Hals frei.
Mit Yuppicide, 4. 10., 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190
Prinzipiell denselben Ackerbearbeiten C.M.F., was sich Confused Mindfuckers ausschreibt. Nur daß die vier aus Böblingen eine Schwäche für hübsche kleine Mitgröhlmelodien haben und auch nicht vor einschlägigen Dumpfbackengitarren zurückschrecken. Doch der Charme und Sturm und Drang der Jugend entschuldigt vieles, und daß Potential von CMF schrecklich eingängige Punkrock-Hits zu schreiben, ist unübersehbar.
5. 10., 21.30 Uhr, Schoko-Laden, Ackerstraße 169/170
Größte Bedenken darf man haben, wie lange das noch gutgeht, daß einen die Major-Firmen mit grauseligen deutschsprachigen Kapellen zuscheißen. Irgendwann, das war bei der Neuen Deutschen Welle nicht anders, wollen die Leute die Lustiglustig-Masche einfach nicht mehr hören. Creme 21 waren die ersten, die wirklichen finanziellen Erfolg mit doofen deutschen Texten über Weichspülpop hatten. Sie sind vielleicht nicht schuld, aber sie waren dabei. Nun haben sie als Single „Wann wird's mal wieder richtig Sommer“ herausgebracht, was nur konsequent ist, aber mir persönlich ist die Version mit Rudi Carrells hübschem Akzent immer noch am liebsten. Als Frauenoffensive der Plattenindustrie kommen nun auch noch Die Schweine, die sind so komisch, daß sie auf ihren Platten sogar selber ständig lachen müssen. Da haben wir uns ganz doll amüsiert, und die vier Mädels lachen so klar und hell, wie das Bargeld klingelt.
5. 10., 20 Uhr, Huxleys Neue Welt, Hasenheide 108–114
Aus Mali kommt Habib Koite daher und spielt mit seiner Band Bamada einen wundervollen Pop, der gar nicht zu den regennassen Straßen draußen passen mag. Und dann doch wieder, denn trotz der leicht dahingefusselten Gitarren, den hingetupften Perkussions, schwingt in den Melodielinien der Balladen ständig eine vertraute kleine Traurigkeit mit, die seine Musik um so schöner macht. Und wenn der Chor sich aufschwingt, klingt das ebenso euphorisch wie melancholisch.
5. 10., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Die Hotknives waren Mitte der 80er Jahre Teil des englischen Aufbruchs im Ska, als man sich an die jamaikanischen Vorbilder anlehnte und den Off- Beat von seinen R&B-Wurzeln entfernte und ihn an Popharmonien annäherte. Anfang der 90er lösten sie sich für ein Jahr auf, und inzwischen spielen sie einen geradezu unglaublich spartanischen Ska. Mick Clarke singt mit stoischer Ruhe, der Rhythmus zuckelt gemütlich darunter her, nur vorsichtig kommen Bläser zum Einsatz, und eine Hammond-Orgel schläfert frohgemut ein. Trotzdem haben die Hotknives nichts von ganjageschwängerter Trägheit, sondern klingen eher wie die zuckergebackene Laura-Ashley-Version von Ska.
6. 10., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41
Der klassische Musiker als Popstar: Was das Kronos Quartett oder Nigel Kennedy geschafft haben, sollte auch Huschke mit seinem Cello gelingen. Mit dem Vornamen Wolfram 1964 in Weimar geboren, hat er sich vom Konservatorium kommend die übliche Karriereleiter hochgefiedelt. Nun streckt er in der CD-Beilage die Zunge in die Kamera, nennt Eigenkompositionen „Orgasm“ oder „Whale Killers“, steckt seine Füße in Cowboy-Stiefel und seine Augen hinter Sonnenbrillen, jagt sein Cello durch Effektgeräte und covert eben nicht nur Debussy, Bach und Rachmaninow, sondern auch „Purple Haze“ von Jimi Hendrix. Das kann man sich sicher anhören, und für jemanden wie mich, der Interpretationen auf einem bestimmten Niveau eh kaum unterscheiden kann, mag das Image entscheidend sein. Aber dieser Versuch von Huschke ist doch arg grell und paßt auch gar nicht zu den hübschen kleinen, meistens auch recht lieblichen Stückchen, die der Mann da eingespielt hat.
10. 10., 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz
Geboren wurde Hans Ziegelmeier zwar hierzulande, aber schon lange lebt der Produzent in San Francisco. Dort hat er als Kode IV einen Haufen von Techno-Tracks auf die Tanzböden gebracht, die weniger von den klassischen Techno-Grundlagen wie House, sondern eher vom Industrial beeinflußt sind. Seine Stücke sind zwar leicht genug, um die herzinfarktösen bpm-Zahlen auszuhalten, aber benutzten doch meist kalte, technische Sounds, die dann wieder dem früher eher in Berlin beliebten Brettern zugewandt sind.
10. 10., 21 Uhr, Tacheles, Oranienburgerstraße 53–56 Thomas Winkler
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