Durchs Dröhnland: Friede, Freude, Schweiß
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Der Ire, das haben uns gerade Buchmesse und „Fish and Chips“ gelehrt, ist ein lustiger Mensch mit Hang zur Depression. Was auf ein Neues die Reckless Pedestrians aus Dublin beweisen mit ihren verhaltenen Popsongs, die zwar nicht um die eine oder andere Fiedel herumkommen, aber meistens doch eher traurig schnüffeln vom letzten Bus, der nach Hause fährt. Ein wenig wird auch herumgekeltelt, aber dafür das Saufen links liegen gelassen – sehr sympathisch.
11.10., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
Schon damals, als Metal nur in Dorfdiskotheken Reputation genoß, konnte man leicht eine Schwäche für Def Leppard entwickeln, weil bei ihnen dumpfbackige Gitarrenriffs plötzlich Popappeal entwickelten. Doch zuletzt haben sie sich leider vom Bubblegum verabschiedet und versuchen mit asiatischen Mätzchen etwas von Wert zu schaffen. Der Rest ist Mainstream. Das mußte doch nicht sein, Jungs.
11.10. um 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten
Etwas, was man von Ska- Bands gemeinhin nicht erwartet, ist Veränderung. Die Butlers haben es nun gewagt und sich auf die Suche nach den Wurzeln gemacht. Der Ska entstand nun einmal dadurch, daß jamaikanische Studiokapellen amerikanische R&B-Klassiker rhythmisch verfremdeten und mit Bläsern aufpeppten. Nun lassen es also die Butlers heftig tuten, Orgeln quieken und preschen überschnappend nach vorne. Ab und an, man ist schließlich der Tradition verpflichtet, legen die Berliner aber noch einen Off-Beat ein.
12.10., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41
Wer schon erste Katersymptome zu beklagen hat, was deutschen HipHop betrifft, kann sich bei „Rap Attack“ den Rest geben. Oder wieder zurückbekehrt werden, denn mit Massive Töne aus Stuttgart, Main Concept aus München und Zentrifugal aus Bremen versammeln sich nicht die schlechtesten. Bei Zentrifugal rappt Bastian mal vom freien Tag, der eine lange Nacht garantiert, mal vom bösen Auto und der dummen Politik, während DJ El Negro sanfte Funk-Gitarren und fette, jazzige Beats daruntermischt. Main Concept wirken im Gegensatz dazu ziemlich dünn, und Raps sind auch schon besser gerollt. Als Zuckerl dann noch Walkin' Large, bestehend aus dem südafrikanischen Rapper Ono und dem äthiopischen DJ Ara.
12.10., 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190
In Basel gehen Mercury 4oF normalerweise ihrem Zerstörungswerk nach. Dort machen sie aus recht konventionellen Rocksongs die Hölle. Das weckt Erinnerungen an verblichene New Yorker Noise-Päpste wie Pussy Galore, Live Skull oder die jungen Sonic Youth, aber es ist trotzdem immer wieder schön zu hören, wenn wütende junge Männer ihre Verstärker bis zum Anschlag aufdrehen, ihren Stimmbändern nur Böses wollen und ausgerechnet dort dann etwas finden, was sie für Kunst halten. Ähnlich verhält es sich mit Headbutt, auch wenn die nicht an der Auflösung von Songstrukturen arbeiten, weil sie erst gar keine brauchen. Bei den Londonern geht der Samen auf, den die damals aus Australien angereisten Birthday Party auslegten. Aus zwei Schlagzeugen und drei Bässen ergießt sich eine Kakophonie ohnegleichen. Gekreische und seltene Ruhepausen sind kaum mehr als schüchterne Farbtupfer in diesem Grau-in- Grau-Dings, das auch nicht davor zurückschreckt, „Mandy“ von Barry Manilow zu mißbrauchen.
15.10., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Für Freunde des Kontrastprogramms muß nun Galliano kommen, dem nicht nur seine Plattenfirma „Offenheit und positives Denken“ bescheinigt. Die nette Familie groovt wieder, daß der Tanzboden bröckelt, die Soul- Chöre schwingen sich zu ungeahnten Höhen auf, und alles ist Friede, Freude, Schweiß. Darüber vergißt der Gute natürlich nie das politische/ökologische Gewissen: und wieder einmal gelingt der „Spagat zwischen Teestube und Diskothek“, wie Kollege Fricke einmal bemerkte.
15.10., 20 Uhr, Tempodrom
Weil der Jazzer ja auch nicht ewig im Elfenbeinturm versauern mochte, suchte er sich zuletzt eine angesagtere Beschäftigung und ließ sich auf das Angebot ein, das ihm die HipHopper machten. So hat auch der Krautrock-Veteran Hellmut Hattler, früher mal bei Kraan, eine neue Spielwiese gefunden. Mit dem Trompeter Joo Kraus adaptiert er als Tab Two amerikanische Vorbilder auf einem technisch schon fast gefährlichen Niveau, denn manchmal klingt der Balanceakt zwischen Jazz und modernem Dancefloor arg akademisch.
16.10., 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagsufer 17
Ruhige, entspannte Elektronik, durch die selten mal eine Stimme huscht. Limbo versuchen erst gar nicht, ihren träge dahinfließenden Tracks etwas Menschliches aufzupropfen, statt dessen spürt man, daß die Seele der Maschinen eine eigene ist. Seit zehn Jahren gibt es das italienische Projekt, da ist man in dem Genre schon lange Veteran und bietet vor allem eine archäologische Reise in die Steinzeit der elektronischen Klangerzeugung.
16.10., 21 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6
Gegründet wurden Compulsion zwar in London, bestehen zu drei Vierteln aber aus Iren, und der Rest kommt aus den Niederlanden. Die einzige Reminiszenz an die alte Heimat sind allerdings die bandeinheitlich rotgefärbten Haare. Was sie spielen, dazu hätte man früher Punk gesagt, heute ist es Pop. Ihre Gitarren knattern fröhlich, die Melodien schweben auf einfachste Weise, und irgendwie macht das großen, großen Spaß. Ab und zu, vielleicht weil sie es sich nicht ganz so simpel machen wollten, gackern auch ein paar elektronische Geräusche dazwischen. Das ist zwar völlig überflüssig, aber auch kaum störend.
17.10, 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224 Thomas Winkler
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