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Archiv-Artikel

Download-Plattform von Coca-Cola

betr.: „Verkaufseinbruch in der Musikindustrie“, „Attac macht sich breiter“, taz vom 8. 4. 04

Mit einigem Befremden habe ich Ihre Berichterstattung zum Thema Filesharing und Verkaufseinbrüche in der Musikindustrie zur Kenntnis genommen. Zunächst geben Sie unkommentiert einen Bericht des Internationalen Verbandes der Phonoindustrie (IFPI) wieder, in dem behauptet wird, dass illegales Filesharing der Grund für die rückläufigen Verkaufszahlen der Musikindustrie sei. Dabei unterschlagen Sie, dass kürzlich eine US-amerikanische Untersuchung unter Beteiligung der Harvard Business School zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen ist und dass ein kanadisches Bundesgericht entschieden hat, dass Filesharing legal ist.

Des Weiteren wird im Kommentar „Attac macht sich breiter“ von Niklas Alt kritisch hinterfragt, ob Attac sich für Filesharing einsetzen dürfe. Diese Frage greift viel zu kurz, um der Komplexität der Zusammenhänge zwischen Musikindustrie und Globalisierung gerecht zu werden. Die Strategien der Musikindustrie, genauer gesagt der Major Labels, haben in der Tat sehr viel gemeinsam mit anderen multinationalen Konzernen, deren Aktivitäten Attac berechtigterweise kritisch beobachtet. In diesem Zusammenhang ist die Überprüfung der geplanten Fusion von BMG und Sony Music durch eine EU-Kommission zu nennen oder die Versuche der Majors, gemeinsame, möglicherweise marktbeherrschende Download-Portale aufzubauen, wobei gleichzeitig die Frage völlig ungeklärt ist, wie Musiker in diesem System angemessen vergütet werden können.

Außerdem zeigen sich in letzter Zeit Tendenzen, die zu Überschneidungen der Musikbranche mit anderen multinationalen Konzernen führen, wie anhand der Download-Plattform von Coca-Cola zu sehen ist, während Virgin-Gründer Richard Branson mittlerweile selbst Cola produziert und eine Fluggesellschaft gegründet hat. Dabei wächst die Macht solcher Konzerne im gleichen Maße, wie die Rechte indigener Ethnien beschnitten werden, indem nach Manier der Biopiraterie traditionelle Musik „patentiert“ und in der Coca-Cola-Werbung verwendet wird, während der Konzern in Indien der Bevölkerung das lebenswichtige Trinkwasser abgräbt und Branson seinen Mitarbeitern eine Insel vor der Küste Australiens schenkt.

Die Fragen der Legalität und ethischer Verantwortung sind also längst nicht so eindeutig zu beantworten, wie uns dies die Musikindustrie glauben machen will, und Attac (oder auch Kulturattac) ist genau die richtige Organisation, zu diesem Thema Stellung zu nehmen. MARKUS KIRSCH, Berlin