Dorothea Hahn im US-Gefangenenlager (2) : Geschlossene Gesellschaft
Normalerweise vertreten Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Richter gegensätzliche Interessen und spielen konträre Rollen im Gerichtssaal. Doch bei der „Military Commission“ von Guantánamo unterstehen alle derselben Behörde: dem Pentagon. Das Verteidigungsministerium definiert auch die Regeln, sorgt für die Sicherheitskontrollen rund um das Gericht und hat die Aufsicht über alles, was auf den 46 Quadratmeilen des US-Stützpunktes im Südosten von Kuba geschieht.
Inmitten der Uniformen mit Schulterstücken, der kahl geschorenen Hinterköpfe und des zackigen Tons im Saal nehmen sich die drei zivilen Anwälte, die den Guantánamo-Gefangenen Omar Khadr begleiten, wie Ufos aus: Sie haben längere Haare und rundlichere Konturen, befolgen fremde Justizregeln und sprechen eine andere Sprache. „Herr Eason“, beginnt der aus Washington angereiste Verteidiger Barry Coburn eine Entgegnung auf einen Vertreter der Staatsanwaltschaft. „Er ist Hauptmann der Luftwaffe“, fällt ihm der Richter scharf ins Wort. Der Richter ist Oberst.
Der ebenfalls aus Washington angereiste Verteidiger Koby Flowers verlangt Respekt vor Artikel 5 der US-Verfassung. Danach darf niemand gezwungen sein, sich selbst zu belasten. „Die Verfassung ist hier nicht relevant“, kontert knapp der Hauptmann in Uniform, der für die Staatsanwaltschaft spricht. Damit ist das Thema erledigt.
Die drei zivilen Verteidiger sind zu Hause erfolgreiche Straf- und Zivilrechtler. Aber in Guantánamo, wo sie „pro bono“ – gratis – arbeiten, betreten sie Neuland. Auch Nathan Whitling aus Toronto ist angereist, der Stadt, in der Khadr geboren ist. Der kanadische Anwalt darf zwar neben seinem Mandanten sitzen, aber er darf nicht das Wort ergreifen. Die Militärjustiz von Guantánamo richtet sich ausschließlich gegen Ausländer. Aber als Verteidiger sind nur Anwälte aus den USA zugelassen.