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Doris AkrapGeraschelDer Krieg lässt sich nicht aussperren, Diebe schon

Foto: privat

Urlaubszeit, die Schlafwagen der österreichischen Nightjets sind voll besetzt. Herrlich wird man in den Schlaf geruckelt und von duftendem Kaffee geweckt. Entspannter kann man nicht reisen. Noch dazu, wenn die Schaff­ne­r*in­nen einnehmend charmant, witzig und behilflich sind.

Ausführlich erläutern sie den Ablauf des Aufenthalts an Bord: wann es Frühstück gibt, wie das Abteil von innen zu verriegeln ist, dass es gegen 4 Uhr in der Früh zu einer Störung der Nachtruhe wegen eines zeitlich unplanbaren Aufenthalts komme, da die Deutschen vor Bad Schandau die Reisepässe kontrollieren würden.

Bei meiner Rückreise Anfang der Woche von Wien nach Berlin empfahl der Schaffner außerdem, die Wertsachen an die Fensterwand zu stellen, da mit Einbrechern zu rechnen sei.

Meine drei Mitreisenden und ich schliefen um Mitternacht selig ein, die Wertsachen an der Wand, zwischen den Füßen und in der Hand, das Vorhängeschloss mehrfach überprüft. Aus dem Schlaf gerissen wurde ich, weil neben meinem Kopf jemand die Tür zuschob und irgendwas Missmutiges und die Mitreisende unter mir sagte: „Der war an den Sachen, der war an den Sachen, checkt eure Sachen.“ Sie weckte die ihr gegenüber noch schlafende Frau. „Der hat mit einer Taschenlampe in deine Tasche geleuchtet und alles durchwühlt. Ich hab dem direkt in die Augen geschaut.“

Während drei von uns null Komma nichts mitbekommen hatten, war sie früh genug wach geworden, um den Dieb zu vertreiben. Er hatte es nur bis zum Tabakbeutel geschafft, von dem er wohl vermutete, es könne ein Geldbeutel sein.

Wie war der Typ ins Abteil gekommen? Er hatte offenbar das Kettenschloss easy auf bekommen. Wir trauten uns nicht aus dem Abteil, wollten dem Dieb nicht noch mal begegnen. Am Morgen ging ich ins Nachbarabteil, wo berichtet wurde, dass ihre Tür am Morgen einen Spalt breit offen gestanden hätte, aber wohl dank des Schlosses über der Tür nicht ganz aufgegangen sei.

Schloss über der Tür? Au weia, das hatte uns niemand erzählt. Mit dieser zusätzlichen Sicherung lässt sich die Tür selbst bei geöffnetem Kettenschloss nur einen Spalt weit öffnen.

Merke: Immer alles gut zu- und wegsperren, sonst kann die erholsame Nachtzugreise zu einem Albtraum werden.

Hier ­erscheinen zwei Kolumnen im Wechsel. Nächste Woche: „Grauzone“ von Erica Zingher

Gut zu- und weggesperrt ist in Wien übrigens derzeit die „Panzerhalle“ im Heeresgeschichtlichen Museum. Wer durch den 3. Wiener Bezirk läuft, kann die 72 wuchtigen und prächtig verzierten Backsteingebäude nicht übersehen und auch nicht die großen Schilder, auf denen Fotos aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen sind, auf denen der Slogan „Der Krieg gehört ins Museum“ steht. Sie führen zu einem Ort, der als Ruhmes- und Gedenkstätte der österreichischen Armee erbaut wurde: Nach der blutigen Niederschlagung der bürgerlichen Revolution 1848/49 ließ Kaiser Franz Joseph I. hier das Arsenal samt Museum errichten.

Sein Slogan stammt allerdings nicht vom Kaiser. Er ist neueren Datums, wurde für das Gedenkjahr 2014 erfunden, in dem sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal jährte, und war pazifistisch gemeint. Das spektakulärste Ausstellungsobjekt: das Auto, in dem der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo 1914 erschossen wurde, der Auslöser von WKI.

Zusperren, sonst wird der Nachtzug zum Albtraum

Das Museum wusste bei der Konzeption des Slogans mutmaßlich nicht, dass sich Putin für das Kriegsgedenkjahr 2014 ebenfalls was ausgedacht hatte: Er annektierte die ukrainische Halbinsel Krim.

Wie geht nun ein Museum damit um, dass sich Europa wieder aufrüstet? „Wegen Umbau geschlossen“, heißt es vor der Panzerhalle. Dort stehen unter anderem M60-Panzer, die in der Ukraine zum Einsatz kommen. Was wohl zu sehen sein wird, wenn sie wieder aufmacht? Taurus-Marschflugkörper?

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