Doris Akrap So nicht: Mit Rechten reden, rempeln oder nach ihnen sehen?
Es ist der erste halbwegs Frühling zu nennende Sonntag und man möchte zumindest mal kurz um den Block laufen. Weil man aber an einem sonnigen Sonntag in Kreuzberg in Zweierreihen und Schlangen um den Block läuft, muss man raus.
Raus aus Berlin aber heißt rein nach Brandenburg. An den Gedanken, dass man einfach mal so nach Brandenburg ins Grüne fährt, hab ich mich bisher noch nicht gewöhnt. Auch wenn die Mordgeschichten lange her sind und in der Gegend nur noch drei Nazis auf den Hügeln stehen und niemand zum Verprügeln sehen, wie Rainald Grebe einst konstatierte. Aber, die Uckermark soll ja so schön sein. Und die Nachrichten, wenn man die Gegend googelt, lauten auch tatsächlich nicht mehr: „16-Jähriger von Nazis ermordet.“ Sie lauten: „Angler von Kormoran getötet.“
Weil die Kormorane die Gewässer leer fräßen, herrsche Krieg zwischen den Anglern und dem Vogel, berichtet das Portal Uckermark-Aktuell. In der Tat scheinen die Uckermärker, statt wie früher auf Andersdenkende, heute auf Kormorane zu schießen. Aber so weit wie in Mecklenburg-Vorpommern 2005, wo das in die Geschichte als „Kormoran-Massaker von Anklam“ eingegangene Schützenfest 6.000 Ruderfüßern das Leben gekostet hat, kam es in Brandenburg noch nicht.
Zeit also, statt der Frage nachzugehen, ob man besser mit Rechten redet oder rempelt, einfach mal in Brandenburg nach dem Rechten zu sehen. Da, wo auch Bocksgesang-Botho wohnt, dessen neuestes Buch just diese Woche erscheint und den superlustigen Titel „Der Fortführer“ trägt. Botho Strauß hatte vor ziemlich genau 25 Jahren, im Februar 1993, davon geschrieben, dass es Krieg geben werde. „Dass ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaupten will und dafür bereit ist, Blutopfer zu bringen, verstehen wir nicht mehr und halten es in unserer liberal-libertären Selbstbezogenheit für falsch und verwerflich.“ In der Zeit beispielsweise wird anlässlich des Jubiläums des jahrelang heiß diskutierten neurechten Romanciers behauptet, dessen „untergangslüsternen Prophezeiungen sind in Deutschland nicht wahr geworden“.
Nun, es ist noch kein Untergang, wenn eine rechte Partei im Bundestag sitzt. Aber wenn man durch Bothos menschenleere Uckermark läuft und beispielsweise an einem sonnigen Sonntag zufällig durchs 600-Seelen-Dorf Potzlow kommt und sich angesichts des durchdringenden Jauchegeruchs daran erinnert, dass hier noch 2002 zwar nicht ganz Deutschland, aber der 16-jährige Marinus Schöberl von Nazis brutal ermordet und seine Leiche in einer Jauchegrube versenkt wurde, möchte man doch widersprechen. An den Mord in Potzlow erinnert nichts weiter als der von Berlinern gestiftete kleine Gedenkstein an der Kirche. Der Rest ist EU-geförderter Radweg und Schweigen.
Die Fünftagevorschau
Do., 29. 3.
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Fr., 30. 3.
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Mi., 4. 4.
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Nullen und Einsen
kolumne@taz.de
Brandenburg ist heute sicher etwas anders. Aber nach Jauche riecht es noch immer.
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