Dorf legt sich eigene DSL-Leitung: Buddeln für die Flatrate
Die Telekom wollte der 600-Einwohner- Gemeinde Waldstetten kein schnelles Internet garantieren: zu teuer. Die Bürger sorgten nun selbst für die Leitung - mit Bagger, Schaufel und auf eigene Kosten.
Kleinere Orte in Deutschland, besonders in ländlichen Regionen, fühlen sich des öfteren abgehängt vom Fortschritt: Dann nämlich, wenn sich kein größerer Internet-Anbieter dazu bereit erklärt, für eine angemessene Versorgung mit Breitbandanschlüssen zu sorgen.
Die Bürger müssen dann per Modem oder ISDN wie Anfang der Neunzigerjahre mit Minimalgeschwindigkeit surfen und können quasi jede heruntergeladene Seite per Handschlag begrüßen. An multimediale Funktionen wie Musik-Downloads oder YouTube-Videos ist erst gar nicht zu denken. Noch schlimmer trifft es aber die in Internet-lahmen Regionen angesiedelte Unternehmen: Sie können ihre Produkte nur schwerlich online präsentieren, wichtige Firmendatenbanken nur mit angezogener Handbremse aufrufen und Bestellungen allerhöchstens per E-Mail entgegennehmen, wenn die Mitarbeiter genügend Zeit und Nerven für lange Abruf-Vorgänge haben.
Waldstetten, ein 600-Einwohner-Dorf im baden-württembergischen Neckar-Odenwald-Kreis an der Grenze zu Hessen, war bislang ein solcher Ort der Online-Armut. Das Problem lag darin, dass die Deutsche Telekom nur wenig Lust zeigte, von dem Dorf aus eine 2,2 Kilometer lange Leitung zum nächstgelegenen Glasfaserübergabepunkt zu buddeln, um Waldstetten eine flächendeckende DSL-Versorgung zu ermöglichen. 200.000 Euro hätte das kosten sollen, sagte Ortsvorsteher Helmut Hartmann dem Lokalblatt "Südkurier". Auch die übergeordnete Gemeinde Höpfingen habe dieses Geld nicht gehabt. Doch die Neckar-Odenwälder sind erfinderisch: Sie machten der Telekom den Vorschlag, zumindest Teile der Arbeiten selbst zu erledigen.
Die Telekom ließ sich erstaunlicherweise darauf ein. Ein Bündnis aus Bürgern und dem lokalen Bauunternehmen machte sich daran, selbst den notwendigen Graben zwischen Dorf und Glasfaserkasten anzulegen. Auch die notwendigen Leerrohre wurden verlegt. Fast 50 Internet-lose Einwohner zwischen 12 und 78 nahmen an der Aktion teil, brachten Bagger, Schaufeln und Pickeln mit. "Unsere Bürger sind gut motiviert", sagt der Ortsvorsteher. Das Ergebnis: Insgesamt 90.000 Euro an Kosten wurden der Telekom gespart, die jetzt nur noch die Glasfaserleitung in die fertigen Leerrohre montieren muss.
Die dafür notwendigen 110.000 Euro will die Telekom allerdings erst aufbringen, wenn sich genügend Waldstettener bereit erklären, langfristige Verträge mit dem Unternehmen zu schließen. Eine Mindestzahl dafür existiert bereits: 115 Haushalte müssen das Zwei-Jahres-DSL-Abo bestellen. Ortsvorsteher Hartmann hat laut eigenen Angaben bereits 90 davon zusammentragen können. Liegen die Verträge vor, will die Telekom schnell die Restarbeiten vornehmen.
Waldstetten ist nur einer von vielen ländlichen Orten, die über eine fehlende Breitbandabdeckung klagen. Die Telekom und ihre DSL-Konkurrenten gehen noch immer vor allem strikt nach Kundenpotenzial vor: Zuerst sind einwohnerstarke Städte dran, Dörfer mit 1000 Einwohnern oder weniger stehen ganz hinten auf der Liste, weil sich der Aufwand für die Infrastruktur nicht rechnet. Und selbst wenn DSL verlegt wird, heißt das noch lange nicht, dass die gleiche Qualität wie in Großstädten lieferbar ist: Oft werden aufgrund der notwendigen "langen Leitungen" nur geringere Bandbreiten angeboten - ein technisches Problem.
Wer in einem solchen Tal der Internet-Ahnungslosen lebt, hat nur wenige Alternativen, da zumeist auch die Versorgung mit Internet per Mobilfunk schwach ausfällt. So kann man sich zwar einen Online-Zugang per Satellit besorgen. Der ist allerdings teurer als reguläres DSL und bietet insgesamt weniger Durchsatz. Hinzu kommt das so genannte Latenzproblem: Da die Daten erst einmal zum Satelliten fließen müssen, um dann wieder auf die Erde zurückzukehren, sind beispielsweise schnelle Online-Spiele oder Internet-Telefonate nur eingeschränkt möglich. Andere Technologien wie der Breitband-Funkdienst Wimax haben sich in Deutschland bislang nicht durchsetzen können. Eine alternative Technik, die Nutzung durch die Digitalisierung des Fernsehens frei werdender Sendefrequenzen für die Internet-Verteilung, wird derzeit kontrovers diskutiert.
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