Doppelt gewandet hält besser

Nach einer Reihe spektakulärer Ölunfälle – zuletzt vor zwei Jahren vor der Küste Spaniens und 2001 auf der Ostsee – müssen Einhüllen-Tanker vorzeitig ausgemustert werden. Hapert es bei der Wartung oder der Besatzung, nützt die beste Technik nicht

„Was nützt mir das sicherste Schiff, wenn ich es nicht kontinuierlich warte?“

aus KielGernot Knödler

Gegen Idiotie ist die beste Technik machtlos. Weil der Steuermann Backbord mit Steuerbord verwechselte, rammte der Frachter „Tern“ im März 2001 auf der Ostsee den Öltanker „Baltic Carrier“ mittschiffs. Die „Baltic Carrier“ war nach modernen Vorschriften gebaut. Den Stoß der „Tern“, die sich in ihren Rumpf bohrte, konnte jedoch auch sie nicht auffangen, ohne Leck zu schlagen. 1.900 Tonnen Öl traten aus und verklebten die Küsten der dänischen Inseln Falster, Møn und Bogø. Mehr als 20.000 Seevögel starben.

Diese Havarie deutete zwar an, wie riskant der Tanker-Verkehr für das Binnenmeer ist. Bis Schutzmaßnahmen auf den Weg gebracht wurden, musste aber ein weiteres Unglück vor Europas Küste geschehen – der Untergang der „Prestige“ vor zwei Jahren. 60.000 Tonnen Schweröl liefen vor Spanien ins Meer.

Kaum auszudenken, was passieren würde, wenn ein ähnliches Unglück auf der Ostsee geschähe. Die verschlungenen Küstenlinien und Tausenden Inselchen würden das Öl auffangen wie ein Sieb. Die im Schweröl enthaltenen Chemikalien hätten kaum Chancen auf Verdünnung. Während sich die Nordsee alle ein bis drei Jahre mit den Weltmeeren austauscht, braucht die Ostsee 20 bis 30 Jahre, um ihr Wasser auszuwechseln.

Die Serie der Unglücke, zu der auch die Havarie des 1998 vor Amrum in Brand geratene Holzfrachters „Pallas“ gehört, hat die Politik auf Trab gebracht. Das Wattenmeer und die Ostsee sind bei der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) als „besonders empflindliche Meeresgebiete“ (PSSA) angemeldet worden (siehe Text unten). Die nach dem Erika-Unglück geltenden Fristen für das Verschrotten von Einhüllen-Tankern wurden verschärft. Die EU ging weiter: Ab 2010 statt 2015 dürfen keine Einhüllen Öltanker mehr europäische Häfen anlaufen.

Die Verschärfung der Fristen hat der Kieler Lindenau-Werft dicke Auftragsbücher beschert. Sie hat 1976 ihren ersten Doppelhüllen Tanker gebaut: Statt einfach in einen Topf zu fließen, wird das Öl in eigene Tanks innerhalb des Schiffes gepumpt. Diese liegen wie ein zweites Schiff in der Außenhülle, von zwei Meter breiten Spanten auf Abstand gehalten. Einem kollidierenden Schiff setzt eine solche Doppelhülle einen viermal größeren Widerstand entgegen als ein einwandiger Tanker.

Co-Gesellschafter Günter Steen hat seine Idee zum Patent angemeldet, mit der dieser Wert weiter verbessert werden kann. Für die Spanten, die Innen- und Außenhülle starr verbinden, sieht er Sollbruchstellen vor. Sie reißen bei einem Aufprall ab, sodass sich die Innenhülle verformen und den Impuls des fremden Schiffes auffangen kann.

Steen hofft, dass mit der neuen Technik bei 70 Prozent der Kollisionen keine Ladung mehr ins Meer fließen wird. „Man kann nicht davon ausgehen, dass man wie mit dem Auto mit 200 gegen eine Mauer fährt“, sagt Steen. Schiffe kollidieren in der Regel im spitzen Winkel und nicht mit voller Fahrt.

Ausgenommen von dem Einhüllen-Verbot sind heute noch Tanker mit weniger als 5.000 Tonnen. Der Transport von besonders gefährlichem Schweröl in kleinen Einhüllen-Tankern ist ab 2008 verboten, für Heizöl und andere Ölprodukte ist ein entsprechendes Verbot in Vorbereitung. Die Lindenau-Werft hat bereits ein passendes Schiff entwickelt. Gleichzeitig sorgt sich die Werft um ihre potenzielle Kundschaft aus kleinen und mittelständischen Reedern.

Diesen fehle das Kapital, um ihre Einhüllen-Tanker vor der Zeit abzuschreiben und durch Doppelhüllen-Schiffe zu ersetzen, sagt Co-Gesellschafter Dirk. P. Lindenau. „Wir müssen überlegen, den Reedern Rahmenbedingungen zu bieten, dass sie sich bessere Schiffe leisten können.“ Sie hätten eine faire Chance verdient, sagt der Werft-Chef und denkt dabei an seine eigene mittelständische Firma, die leichter überleben kann, wenn sie nicht allein der Marktmacht großer Reeder ausgeliefert ist.

Lindenau bricht eine Lanze für kleinen Eigner, auch weil er sie für gute Seeleute hält. Sie hielten ihre Schiffe in sehr gutem Zustand, schon weil diese ihr Kapital seien. „Was nützt mir das sicherste Schiff, wenn ich es nicht kontinuierlich warte?“, fragt er. Dazu gehörten auch gut ausgebildete Besatzungen – ein Punkt, an dem es besonders oft hapert. Drei Viertel aller Seeunfälle seien auf den „Faktor Mensch“ zurückzuführen, sagt Willi Wittig von der Hochschule Bremen. Unter den Besatzungen herrscht ein babylonisches Sprachengewirr. Seit Jahren einem globalen Wettbewerb ausgeliefert, werden sie ausgelaugt, bis sie vor lauter Müdigkeit nicht mehr wissen, wo Backbord und Steuerbord ist.