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■ Dokumentation„Selbstbewußtsein statt Bitterkeit“

Mit Unverständnis und Bitterkeit sind in den letzten Monaten Entscheidungen aufgenommen worden, in denen Gerichte bei der Abwägung des Rechts auf Meinungsfreiheit und des Verdachts der Verletzung der Menschenwürde, der Beleidigung, der Herabsetzung und Hetze durch Rechtsradikale zugunsten der Meinungsfreiheit entschieden haben; einer Meinungsfreiheit, die allerdings in diesen Fällen durch Rechtsradikale benutzt wird.

In das Unverständnis vieler Menschen mischt sich der Verdacht, daß hier die Justiz mit zweierlei Maß mißt; ein Verdacht, der lange Zeit jedenfalls angesichts der unheilvollen Geschichte der deutschen Justiz so abwegig nicht war; in der Gegenwart sehe ich dafür wenig Anhaltspunkte. Ich verstehe die Bitterkeit in vielen Kommentaren auch über das Urteil zu Kaisen durchaus – denn es ist offenkundig, daß die Rechtsradikalen wie die DVU mit Rechten spielen und Mißbrauch treiben, die sie sofort mit Füßen treten würden, wenn sie die Macht dazu hätten. Aber es steht ja für unsere politische Verfassung viel zu viel auf dem Spiel, als das wir uns dazu verleiten lassen sollten, von Gerichten mehr als Rechtsprechung zu verlangen, etwa Symbole, oder „Signale“. Wie schwierig dieses Feld ist, haben die beiden heute veröffentlichten Urteile des Bundesverfassungsgerichts wieder gezeigt, in denen das Gericht die Grenzen sehr eng gezogen hat, innerhalb deren die Grenzen der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden muß, wenn nicht andere Grundrechte unter die Räder kommen sollen.

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat gestern auch bestätigt, daß Dummheit nicht strafbar ist. Das bedauert man manchmal, aber das ist auch gut so. Aber auch Niedertracht ist nicht an sich schon strafbar; das bedauern wir oft heftig, aber auch das ist am Ende gut so. Aber das hindert uns ja nicht daran, hier zu sagen, was niederträchtig ist: Niederträchtig ist es, wenn die DVU Friedrich Engels, Ebert, Schumacher und Wilhelm Kaisen in einem Flugblatt mit der DVU in Verbindung bringt, nicht nur so ganz allgemein, sonder mit Sätzen wie: „Jede Wette: Nach den Wahlen schleppt man wieder haufenweise Asylbetrüger und Zigeuner nach Bremen.“ Kaisen mit solchen Sätzen zu assoziieren, das ist auch dann infam und niederträchtig, wenn ein Gericht es nicht für strafbar hält. Der richtige Weg bleibt die gesellschaftliche Ächtung solchen Denkens; die Gerichte haben zu entscheiden, wo die Grenzen der Niedertracht zur Straftat überschritten sind. Und müssen ihre Entscheidungen der Kritik aussetzen. Ich plädiere dafür, nicht mit Bitterkeit zu reagieren, sondern mit Selbstbewußtsein und Stolz auf unsere Art und Weise, Politik und Gemeinwesen zu gestalten.

Hermann Kuhn, Fraktion Die Grünen/Bündnis 90

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