■ Dokumentation: „Fäuste in der Tasche“
Sehr geehrter Herr van Nispen, die derzeit laufenden Vorbereitungen zum Tag der Deutschen Einheit finden unter einer besonderen Sicherheitsstufe statt. Wir als KollegInnen der Gesamtschule Bremen-Mitte sehen mit Besorgnis die damit verbundenen Auswirkungen in der Öffentlichkeit. So wird durch die Art und Weise der Vorbereitung ein Gewaltpotential herbeigeredet, um die staatlichen Sicherheitsmaßnahmen in diesem Umfang rechtfertigen zu können. Eine „Übermacht“ an Sicherheitskrüften wird in Erscheinung treten. Dieses Aufgebot wird viele BürgerInnen usnerer Stadt erschrecken und das Bild eines Polizeistaates hervorrufen. Außerdem wird ein solches Aufgebot gerade jene Gruppen provozieren, die sonst gewaltfrei demonstrieren und das Recht auf eine andere Betrachtungsweise gesellschaftlicher Verhältnisse öffentlich kundtun.
„Uns ballen sich die Fäuste in den Taschen“, wenn wir ansehen müssen, daß sonst frei zugägnliche Orte dieser Stadt abgeriegelt werden sollen. Sind die Feierlichkeiten zum Anlaß dieser denkwürdigen Vereinigung für die geladenen Gäste so zu handhaben, als befänden wir uns im Absolutismus, oder sind sie für das wiedervereinigt Volk gedacht und vorgesehen?
Wir befürchten daher, daß der Aufwand an Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitskräften die demokratischen Strukturen nicht sichern, sondern abbauen hilft. Wir befürchten außerdem, daß die Zahl der Sicherheitskräfte und die Einsatzstrategie geradezu provozierend auf jene Menschen in unserer Stadt wirken, die sich mit Formen und Inhalten dieser Art nicht identifizieren können. Gerade junge Menschen sind oft mehr als enttäuscht, wenn man ein für sie unverständliches Spektakel vorführt. Für sie ist der 3. Oktober 94 eine riesige Selbstbespiegelung der Herrschenden und Privilegierten. Wieso müssen hochrangige Politiker vor dem Volk beschützt werden, das sie gewählt hat?
Wir erwarten von Ihnen, Herr van Nispen, daß Sie dafür sorgen, daß das Gewaltmonopol dieses Staates nicht selbst gewaltprovozierend oder gar handhabend eingesetzt wird. Es würde Bremen ein schlechter Dienst erwiesen, wenn man am 4. Oktober, dem Tag danach, von der „Festung Bremen“ sprechen müßte. Wir möchten nicht, daß in den Schulen wieder einmal aufgearbeitet werden soll, was staatlicherseits an politischem Schaden angerichtet worden ist.
Schulleiter Armin Stolle und 35 KollegInnen der Gesamtschule Mitte
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