■ Dokumentation: Streik ist Dienstpflicht
Wir Hochschullehrer jammern im Chor mit den Studenten über die Verschlechterungen der Studienbedingungen, wir schreiben Protestbriefe und laufen gegen die Wände der Universitäts-Bürokratie. Aber im Prinzip halten wir den Mund und riskieren überhaupt nichts. Die rührselige Ohnmacht zeigt sich zuletzt bei der Auseinandersetzung über die Studiengebühren und die Bafög- Zinsmodelle. Die oft klammheimliche Hoffnung, der Sturm der Studierenden würde losbrechen, zeigt vor allem eines: Wir haben nicht mehr zu bieten als ein paar Protestnoten.
Wenn wir selbst spüren, wie 15- oder 30prozentige Kürzungen die eigene Belastbarkeit aufzehren und vor allem Studierende die Leidtragenden sind, dann müssen wir unsere Forderungen mit einem provozierenden Konfliktmittel kombinieren. Mit einem zeitlich befristeten Professorenstreik für bessere Studienbedingungen. Nur wenn wir die Arbeit niederlegen, würde es zu einer Allianz mit den Studierenden kommen, die für den gesellschaftlichen Konflikt um die miese Verschrottung der Bildung überfällig ist.
Zu einem Professorenstreik aufzurufen erwächst aus der grund- und menschenrechtlichen Verantwortlichkeit, die atmend-kreative Universität als Teil der demokratischen Gesellschaft zu entwickeln und den Umgang mit ihr im Stil eines verrosteten Bahnwärterhäuschens zu verhindern. Der Professorenstreik hätte aber nur dann eine Wirkung, wenn wir nicht einfach Geld fordern, sondern in der Öffentlichkeit zeigen, daß wir selbst unsere hausgemachten Probleme zielstrebig angehen. Bessere Leute, mehr Tutoren, Abbau von Doppel- und Triple-Bürokratien, mehr Frauen im Lehrkörper.
Aber auch beim Geld sollten wir nicht nur nach öffentlichen Mitteln rufen, sondern unseren Streik als einen Beginn dafür einsetzen, daß der höhere öffentliche Dienst Gehaltskürzungen hinnehmen muß. Zehn Prozent weniger Gehalt zugunsten besserer Studienbedingungen und dafür zehn Prozent mehr Zeit-Wohlstand durch Arbeitsumverteilung wäre eine individuell und gesellschaftlich verlockende Perspektive. Umverteilung zusätzlicher öffentlicher Mittel und dadurch Neuanschub dringender Investitionen in die Köpfe muß die Devise sein. Für bessere Studienbedingungen zu streiken ist die Dienstpflicht der Professoren! Peter Grottian
Der Autor ist Professor für Politische Wissenschaft an der FU
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