Doku über Polizisten-Ausbildung: Muskelkater in Masar-i-Scharif
"Soko Afghanistan - Deutsche Polizisten im Krisengebiet" zeigt keine Vorzeigebeamten, sondern Menschen, die am Hindukusch für Sicherheit sorgen wollen (23.30 Uhr, ARD).
Das geht immer so ein bisschen unter in der öffentlichen Wahrnehmung: Neben der vierstelligen Zahl deutscher Soldaten ist am Hindukusch auch eine dreistellige Zahl deutscher Polizisten unterwegs. Sie sollen ihre afghanischen Kollegen ausbilden, ausrüsten und beraten. Der Filmemacher Ralf Hoogestraat hat nun die rund 100 deutschen Polizisten, die im Camp Maral - im "Copland" - in Masar-i-Scharif leben, besucht und sieben Tage lang begleitet und gefilmt. Dass die Drehtage um jenen 15. April lagen, an dem vier deutsche Soldaten starben, war reiner Zufall.
Bilder können lügen, Bilder können (ver)schweigen, aber Hoogestraats Redakteurin beim NDR gibt sich auf Nachfrage sehr angetan von der Freiheit, mit der sich die Filmleute - embedded - unter und mit den Polizisten bewegen durften. Von der Bundeswehr ist man anderes gewohnt.
Die im Film gezeigten Beamten sind also keine den Journalisten von höheren Stellen zugeführten und instruierten Vorzeigepolizisten. Stattdessen sieht der Zuschauer lauter nette Jungs von nebenan: Dennis aus Husum, Marco aus Oldenburg, Ulli aus Düsseldorf. Dazu sagt die Off-Stimme: "Aus Sicherheitsgründen dürfen wir nur die Vornamen der Beamten nennen."
Der Zuschauer sieht die Polizisten beim schulsportähnlichen Training der Rekruten, beim Konvoi-Fahren, beim Abklappern von Außenposten, beim Austausch mit korrupten Polizeichefs. Nicht allein die Sprachbarriere behindert dabei Verständigung und Verständnis. Ein Ausbilder berichtet von seiner persönlichen Erfahrung mit dem Clash of Civilizations: "In der Anfangszeit, als wir mit denen Sport gemacht haben - viel Sport -, da sind die krank gewesen. Die sind zum Arzt gegangen, weil die meinten, die sind krank. Dabei war's Muskelkater! Die kennen Muskelkater nicht! Die kennen keinen Sport! Die haben das nie gelernt."
Humor ist eine bewährte Überlebensstrategie. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Statt zu resignieren. Soeben musste in einer Szene der Dokumentation eine Brücke gegenüber einem gepanzerten Bundeswehrfahrzeug, Typ "Dingo", resignieren: "13 Tonnen deutscher Stahl gegen afghanischen Lehm und ein paar Holzstämme." Dennis aus Husum kennt das schon: "Gerade so Nebenstrecken. Dschalalabad hat's geschafft, zwei Brücken an einem Tag zu zerstören. Wo sie hinfahren wollten, um das Geld zu überreichen, dass die repariert werden können, haben sie die dritte kaputtgefahren." Dennis kann nicht anders als grinsen: "Ist nun mal so." Nur ein ganz alltägliches Erlebnis - aber es liegt auf der Hand, darin auch eine Parabel auf das große Ganze zu sehen.
Die dreißigminütige TV-Dokumentation orientiert sich durchaus an der guten alten Tradition des beobachtenden Dokumentarfilms. Ganz am Ende will es sich Autor Hoogestraat aber nicht verkneifen, ein explizites Fazit zu ziehen: "Es wird alles umsonst gewesen sein, sollten Bundeswehr und Polizei tatsächlich in zwei Jahren wieder abziehen." Viel spricht für die Richtigkeit dieser Prognose. Wenn das aber so ist: Warum sollten die Deutschen dann eigentlich noch zwei Jahre warten?
Das ist fürwahr keine zynische Fragestellung, führen doch die desillusionierenden Filmbilder vor allem eines einmal mehr vor Augen: Der Afghanistan-Einsatz ließe sich selbst in weiteren fünf oder zehn Jahren nicht - auch nicht annähernd - an einen Punkt bringen, an dem Isaf & Co sich auf die Schulter klopfen und ausrufen könnten: Fertig! Die Arbeit ist getan! Enduring Freedom!
"Soko Afghanistan - Deutsche Polizisten im Krisengebiet", 11.8., 23.30 Uhr, ARD
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