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■ Disneyworld hat ausgedient: neuer Trend im AnmarschDinos bald wieder unter uns?

Oldenburg (taz) – Unglaublich: Statt Dackel zerren Kinder kleine Dinosaurier über Frankfurts Flaniermeile Zeile. Was wie eine Szene aus Michael Crichtons Buch „Jurassic Park“ oder dem gleichnamigen Film von Steven Spielberg aussieht, könnte im nächsten Jahrtausend Wirklichkeit werden.

In Crichtons Buch wird ein in Bernstein konserviertes Insekt entdeckt, das Dinosaurierblut geschlürft hat. Dadurch gelingt es der Wissenschaft, die Saurier genetisch zu rekonstruieren. Andreas Guhr, Fossilien-Experte aus Hamburg, erklärte dazu: „Auf diese Weise die Erbinformation in der DNS des Beuteblutes zu erhalten, ist prinzipiell möglich.“ Nur die Geschichte hat einen naturwissenschaftlichen Haken: „Die blutsaugenden Insekten tauchten erst 15 Millionen Jahre nach dem Aussterben der Dinosaurier auf.“

Der Insektenforscher George Poinar von der Uni Berkeley meint, daß aus jahrmillionenalten Tierfunden Saurier-Erbmaterial gewonnen werden kann. „Quatsch“, erklärt der deutsche Geologe Uwe George. „Fossile Funde bestehen aus Mineralien, nicht aus organischen Substanzen. Mit ihnen können wir das Aussehen der Dinosaurier rekonstruieren, was sie fraßen, wie sie lebten. Mehr nicht.“

Also keine Aussichten auf die Rückkehr von Tyrannosaurus Rex? Mitnichten! In China wurden jüngst Saurier-Eier gefunden, die weltweit Aufsehen erregten. Das Dinosaurier-Freilichtmuseum Münchehagen hat drei dieser Eier erworben. Detlev Thies, Paläontologe an der Uni Hannover, will jetzt per Computertomographie eine Analyse der Eier machen. Er vermutet Embryonen in den Eiern. „Das wäre eine Sensation“, sagt der Wissenschaftler.

Aber in jedem Fall wäre die DNS der Dinosaurier entschlüsselbar. Durch Genmanipulation wären die Dinosaurier reproduzierbar. Steven Spielberg: „Wir haben ein echtes Interesse daran, einen Dino-Park mit lebenden Sauriern einzurichten.“

Der Pressesprecher des Bundeskanzleramtes erklärt dazu, daß der Bundeskanzler das Interesse der Bevölkerung an der Erdgeschichte für gut befinde. Im vertraulichen Gespräch räumt der Pressesprecher ein, daß ein Kommentar gegen die „Dino-Welle“ für einen Politiker so klug sei wie eine Bemerkung gegen den Sonnenschein im Sommer. Der Bundeskanzler sei überzeugt, daß deutsche Wissenschaftler auch in der Gen-Technik Großes zu leisten imstande sind und daß die Rekonstruktion der Saurier in die Geschichte eingehen wird. Für den „Dino-Park“ schlägt der Kanzler Gebiete in den neuen Bundesländern vor. „Erst die historische Leistung von Bundeskanzler Kohl, Deutschland wiederzuvereinigen, hat freie Fläche für einen Park dieser Größenordnung geschaffen“, so das Kanzleramt.

Arbeitsminister Norbert Blüm prophezeit, daß, falls die Preise für kleine Saurier nicht ganz verrückt seien, sich auch Rentner diese Tierchen halten werden können. Denn: „Die Renten sind sicher.“

Der Sprecher der Grünen, Beckmann, versichert, daß die Grünen die ersten seien, die für aussterbende Tierarten eintreten. Nur in diesem Fall ist er skeptisch: „Gen-Manipulation ist genauso gefährlich wie die Kernkraft. Die Kräfte, die der Zauberlehrling weckt – er wird sie nicht mehr los.“

Der Wissenschaftssprecher der SPD, MdB Catenhusen aus Münster, erklärt, daß Gen-Manipulation höchst problematisch sei. Die SPD wolle nicht wie die Regierung der Industrie einen Freifahrtschein zur Manipulation am Menschen ausstellen. Allerdings dürfe man der deutschen Forschung, wenn sie sich mit Dinosauriern beschäftigen wolle, auch keine Zwangsjacke anlegen. Fraktionsvorsitzender Klose meinte zum Streit mit der Regierung über die „Dino-Frage“: „Wir sind zu jedem Kompromiß bereit, koste es, was es wolle.“

Auch in anderen Hauptstädten der Welt scheint die „Dino-Frage“ Wellen zu schlagen. Präsident Clinton hat sich mit seiner Frau und der Tochter im Kinosaal des Weißen Hauses den Film „Jurassic Park“ in Anwesenheit von Steven Spielberg angeschaut. Sein Kommentar: „Sie sind wie echt, wir brauchen keine echten.“

In Frankreich wird darüber diskutiert, ob Euro Disney nicht abgerissen werden soll. Wichtige Kräfte der gaullistischen Partei waren nie ganz glücklich über dieses von Präsident Mitterrand favorisierte Projekt, das er in einem Anfall von „Atlantismus“ bewilligte. „Wir wollen lieber einen Park mit einheimischen, gallischen Dinosauriern“, meint Edouard Balladur bei einer Besichtigung von Euro Disney vor den Toren von Paris.

In England sagt Margaret Thatcher im Oberhaus, daß in einem englischen Dino-Park nur Dinos von der Insel vorkommen dürften. „Wir wollen keine Überfremdung durch deutsche oder asiatische Dinosaurier“, lautete ihr Argument, in verblüffender Übereinstimmung mit der Position der französischen Konservativen.

Weltoffener gibt sich Rußland. „Man könnte in Sibirien“, so ein Berater Präsident Jelzins, „einen riesigen Touristenpark mit Dinosauriern anlegen.“ Die Chancen im Abenteuer- und Erlebnistourismus werden in der russischen Regierung für „bedeutend“ gehalten. Woher kommt dieses plötzliche Interesse an den Dinosauriern? Geologe Uwe George dazu: „Die Dinosaurier sind ausgestorben, obwohl sie die Erde beherrschten. Der Mensch tut das auch bald, sie sind unser Vorbild.“ Hans-Peter Oswald

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