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Diskuswerferin Müller über EM"Wir denken nicht an Rekorde"

Diskuswerferin Nadine Müller hofft in Barcelona auf eine EM-Medaille, weiß ihre Kraft gut zu verstecken und isst viel zu gern, um Hochspringerin zu werden.

"Ich bin ich eher der Einzelkämpfer." Bild: imago
Interview von Susanne Rohlfing

taz: Frau Müller, Sie sehen nicht so aus, wie man sich eine Diskuswerferin vorstellt.

Nadine Müller: Das Bild der typischen Diskuswerferin von früher hat sich ja ohnehin zum Positiven verändert. Der Sport ist attraktiver geworden, da stehen nicht mehr die Monstermädels im Ring mit einem tierischen Kreuz und 130 Kilo auf den Rippen. Für mich ist das ein ansehnlicher Sport geworden. Bei mir ist es so, dass Leute auf der Straße sagen: Ach, irgendwoher kenne ich Sie, ist es Basketball oder Volleyball? Mit Diskuswerfen werde ich nicht gleich in Verbindung gebracht, weil ich wirklich keine typische Figur dafür habe. Durch meine langen Extremitäten habe ich aber einen Vorteil, den die anderen Mädels nicht haben. Den kann ich bislang super umsetzen.

Sie sind 1,93 Meter lang. Sind Ihre Eltern auch so groß?

Ja. Meine Mutter ist auch 1,92 Meter und mein Vater ist 2,08 Meter groß. Es hat sich also abgezeichnet, dass ich nicht klein bleibe.

Nadine Müller

ist 24 Jahre alt, in Leipzig geboren, Polizeiobermeisterin, deutsche Meisterin 2009 und 2010, WM-Sechste 2009 und warf den Diskus auf 67,78 Meter, so weit wie niemand sonst in der Welt in diesem Jahr. Müller ist 1,93 Meter groß, 90 Kilo schwer und hat eine Armspannweite von 2,07 Meter (zum Vergleich die Armspannweite des 2,02 großen Boxweltmeisters Vitali Klitschko: 2,03).

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Für die erste EM in Spanien vom 26.7. - 1.8.2010 haben sich 1.370 Athleten gemeldet. Sie kommen aus 50 Ländern. Das ist Rekord in der 76-jährigen Geschichte der EM. Und erstmals sind tatsächlich alle Mitgliedsländer des Europäischen Leichtathletikverbandes EAA bei den kontinentalen Meisterschaften mit Sportlern vertreten.

Da hätten Sie ja wirklich Basketballerin werden können. Oder Hochspringerin.

Fürs Hochspringen hätte ich noch mal 50 Kilo abnehmen müssen. Dafür esse ich zu gern. Und Mannschaftssport gucke ich mir gern an, aber selbst bin ich eher der Einzelkämpfer, ich suche die Fehler nach einem schlechten Tag lieber nur bei mir.

Und warum sind Sie gerade beim Diskuswurf gelandet?

Mein Vater hat früher auch schon bei meinem ehemaligen Coach Gerhard Böttcher trainiert. Er hat mich da langsam herangeführt, und mir hat es von Anfang an Spaß gemacht. Diskuswurf ist eine vielseitige Disziplin, das ist nicht nur im Kraftraum und im Wurfring Stehen, sondern da gehört auch jede Menge Athletik drum herum: Sprint, Sprünge, das ganze Programm. Das hat mich immer fasziniert.

Sie führen die Weltjahresbestenliste bislang mit 67,78 Meter an. Warum sind Sie in dieser Saison so gut?

Mit René Sack habe ich seit Januar einen neuen Trainer, weil Gerhard Böttcher in den Ruhestand gegangen ist. Wir haben viel an der Technik gefeilt, da sind bei mir die größten Reserven. Das hat so weit gut geklappt. Außerdem habe ich das positive Gefühl von der WM im letzten Jahr in Berlin noch in mir drin. Es macht einfach Riesenspaß, es läuft alles von allein. Wir haben in den letzten Wochen noch mal hart gearbeitet, ich habe mit schweren Disken geworfen und war viel im Kraftraum, habe Muskulatur aufgebaut. In der letzten Woche vor der EM ging es dann darum, am Feintuning zu arbeiten und das richtige Gefühl für den Diskus zu bekommen.

Sie sind nicht nur groß, sondern auch schlank. Wo sind sie, die Kraft und die Muskeln, die Sie im Kraftraum aufbauen?

Die habe ich gut versteckt. Ich bin nicht der Krafttyp. Wenn ich sage, ich war viel Kraft machen, geht es um die Wiederholungen und nicht um die Gewichte, die ich durch den Kraftraum schmeiße. Ich hänge den anderen bei vielen Disziplinen weit hinterher, die machen teilweise 20 bis 30 Kilo mehr. Ich bin da das Küken, da habe ich auch noch meine Reserven. Es ist mit einer Größe von 1,93 Meter aber auch schwer, so Powerarme oder Poweroberschenkel aufzubauen.

Die Rekorde im Diskuswurf stammen fast alle aus einer Zeit, in der Anabolika-Doping an der Tagesordnung war. Orientieren Sie sich an 76,80 Metern, an der Weltrekordweite, die die Brandenburgerin Gabriele Reinsch 1988 erzielt hat?

Ich habe natürlich schon mal auf diese Tabellen geschaut, aber es ist utopisch zu sagen: Diese Rekorde wirst du irgendwann brechen. Das ist, glaube ich, heutzutage gar nicht mehr möglich.

Weil es ohne Doping nicht möglich ist?

Mit Sicherheit.

Ärgert Sie das?

Natürlich wäre es schön, die Möglichkeit zu haben, sich mal mit einem deutschen Rekord zu schmücken. Da die Weiten von damals aber nun mal nicht gestrichen werden, müssen wir uns damit abfinden und sagen: Gut, dann gehen wir eben nur auf Medaillenjagd und denken gar nicht mehr an Rekorde. Ich habe immer darauf gehofft, dass ich irgendwann um die 65 bis 67 Meter werfen kann. Dass es nun gleich in diesem Jahr so raketenartig nach vorn losgeht, damit haben mein Trainer und ich gar nicht gerechnet. Das hat uns sehr überrascht.

Wie weit kann es noch gehen?

Für mich steht jetzt im Raum, irgendwann mal 70 Meter zu werfen. Das ist mein Ziel.

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