Diskussion in Wiesbaden: Viel Geld für nichts?

In Wiesbaden diskutierten die Bundestagskandidaten über die Zukunft der Region und stellten ihre Ziele vor.

Wie soll es weitergehen in Wiesbaden? Bild: dpa

von MALAIKA RIVUZUMWAMI

Durch ein Labyrinth aus Baustellenfahrzeugen und Absperrungen gelangt man in das Landesmuseum Wiesbaden. Der Einladung vom „Bündnis Energiewende Wiesbaden-Taunus“ sind alle Direktkandidaten des Wahlkreis 179 für Wiesbaden gefolgt, Gäste fanden den Weg bis in den Vortragssaal an diesem Dienstagabend allerdings nur spärlich.

Auf den ersten Blick wird klar: Politisch engagierte Frauen sind auf der Veranstaltung nur im Publikum anzutreffen – das Podium hingegen ist ausschließlich männlich. Die Stimmung in der Männerrunde ist schon vor der Veranstaltung gut. Man kennt und duzt sich, es wird gefloskelt: „Na, hast du keinen Parkplatz gefunden? Das ist in Wiesbaden aber auch schwierig!“ Das knappe Eintreffen von Lucas Schwalbach, Direktkandidat der FDP, sorgt für Scherze.

Hauptthema: Finanzierung

Zukunftsfragen sollen in der Diskussion gestellt, Vorstellungen erläutert und vielleicht sogar Lösungsansätze diskutiert werden. Themenschwerpunkte sollen Bildung, Klimawandel und Kapitalkonzentration sein. Schon in der Einladung wird deutlich: bei allen drei Themen scheint immer das Geld zu fehlen. Mal gebe die Regierung zu wenig dafür aus und Fördergelder würden nach einiger Zeit wieder eingespart.

Im März 2015 gründete sich das „Bündnis Energiewende Wiesbaden-Taunus“. Mittlerweile vereint es zwölf Initiativen, die sich, vom Thema Energiewende abgesehen, vor allem mit sozialen Aspekten und Bürgerbeteiligungen beschäftigen.

Das männliche Podium besteht aus den Bundestagskandidaten Ingmar Jung (CDU), Simon Rottloff (SPD), Felix Möller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE), Michael Goebel (AfD), Lucas Schwalbach (FDP), Adrian Gabriel (DIE LINKE) und Gunnar Langer (Die PIRATEN). Moderator Dirk Vielmeyer vom Regionalbündnis Energiewende steigt nach einer kurzen Vorstellungsrunde direkt in die Diskussion ein, denn im Vordergrund steht die Frage: Wofür setzen sich die Kandidaten im Falle ihres Einzugs in den Bundestag ein?

Energiewende, und dann?

In Bezug auf die Energiewende steht für Ingmar Jung (CDU) fest: Deutschland, als ehemaliger Vorreiter, habe in den letzten Jahren stark nachgelassen. Einen Grund für diesen Rückschritt sieht er darin, dass mittlerweile jede Kommune, jede Gemeinde sein „eigenes Süppchen koche“. Um gegen den Klimawandel tatsächlich etwas bewirken zu können, benötige es einen gemeinsam abgestimmten Plan. Besonders im Bereich der Elektromobilität müsse Deutschland, als Automobil-Land, eigentlich schon viel weiter vorne stehen.

Michael Göbel (AfD) wirft ein, dass man den Klimawandel nur weltweit bekämpfen könne. Daher sollte man auch über Möglichkeiten nachdenken, internationale Projekte zu fördern. Lucas Schwalbach (FDP) bemerkt, dass die wirtschaftliche Komponenten dabei nicht vergessen werden dürfe. Ziel- und Zeitvorgaben zu machen wäre nicht förderlich, sondern müssten von der Wirtschaft selbst entschieden werden.

Marode Schulgebäude und wenig Personal

Simon Rottloff (SPD) möchte sich vor allem für eine kostenlose Bildung von der Kita bis zur Uni einsetzen. Ein Thema, welches vor allem in Wiesbaden immer wieder scharf diskutiert wird. Vor allem die Schulen seien hier meist in einem schlechten Zustand, es würde nur das Nötigste saniert.

„Viele Jugendliche kann man dafür nicht begeistern.“

Im Publikum sitzen einige SchülerInnen, die bei dieser Aussage ganz genau hinhören. Für Emely Dilichert und Dominik Böhmer ist die Bundestagswahl im September, die erste Chance, mit ihren Stimmen etwas zu bewirken. Sie besuchen die Oberstufe eines Gymnasium in Wiesbaden. Doch als gutes Lernumfeld, beschreiben sie ihre Schule nicht: in die Turnhalle regne es rein und manche Klassenräume könnten nicht genutzt werden – immer wieder fände der Unterricht in Containern statt.

Dass gerade bei der Bildung immer wieder gespart werde, verstehen sie nicht. „Eigentlich sollte hier das meiste Geld rein gesteckt werden. Jetzt versuchen wir uns eben selbst zu engagieren“, erzähl Böhmer. „Doch viele Jugendliche kann man dafür nicht begeistern. Manche sind voll dabei, andere gar nicht!“

Mehr Geld für Bildung

Dass Deutschland in Sachen Bildung nicht die Spitze nicht bilde, betont auch Adrian Gabriel (Linke). Deutschland investiert hierbei ca. 5,5 % des Bruttoinlandsprodukts und liegt damit im internationalen Vergleich hinter Ländern wie Schweden, Finnland und den USA. Bildung müsse stärker in den Fokus gerückt werden. Seiner Meinung nach sei das Geld da, es müsse nur eben auch dafür ausgegeben werden: „Es kann doch nicht sein, dass jede Bank besser aussieht als die Schulen“, sagt Gabriel.

Doch nicht nur für die Sanierung der Gebäude, auch für das Personal, für eine funktionierende Inklusion und den Ausbau von Kitas würden Gelder benötigt. „Der Verteidigungsetat soll um 20 Milliarden erhöht werden. Für Bildung aber wird um jede Millionen gefeilscht – da liegt doch ein massiver Fehler vor.“

Immer wieder dreht sich die Diskussion um Finanzierung. Dass das Geld an den meisten Ecken fehle, darüber sind sich die Kandidaten einig. Wo es her kommen soll, bleibt offen.

Eine Aussage mit Zündstoff

Das Publikum hatte an diesem Abend nicht nur Fragen zur Zukunft, sondern auch viele Anmerkungen und Kritik. Die Außen- und Flüchtlingspolitik würden bei dieser Debatte fehlen und seien doch schließlich wichtige Themen für die anstehende Wahl. Außerdem seien die in der Diskussion angesprochenen Probleme bekannt – und hätten von den regierenden Parteien in den letzten Jahren schon längst angepackt werden können.

„Genau solche Ansätze sind doch der Grund, warum die FDP aus dem Bundestag herausgeflogen ist!“

Besonders eine Aussage von Lucas Schwalbach zum Thema Arbeitslosigkeit, sorgt in der Gesprächsrunde für Zündstoff. „Ihre Aussage, jede Arbeit sei besser als gar keine, ist unmöglich – so können sie Sklaverei begründen! Wenn Menschen 40, 50 Stunden in der Woche arbeiten und davon trotzdem nicht leben können, dann liegt da ein grundlegendes Problem vor!“, schimpft ein Gast.

Schwalbach will das so nicht stehen lassen: „Wenn Langzeitarbeitslosen wieder einen Job vermittelt bekommen, ist das nun mal so, dass sie oftmals zunächst in einem Niedriglohnsegment arbeiten. Sie können sich aber hoch arbeiten – aus eigener Kraft. Das sollte die Politik unterstützten. Das mit Sklaverei gleichzusetzen, ist unangebracht!“

„Genau solche Ansätze sind doch der Grund, warum die FDP aus dem Bundestag herausgeflogen ist!“ wirft Adrian Gabriel ein.

Diskussion ohne Lösungen

So schnell sich die Diskussion im Raum aufgewärmt hat, so schnell kühlt sie auch wieder ab. Das Ende der Veranstaltung wird verkündet.

Antworten oder konkrete Denkanstöße und Ideen vermisst man in dieser Diskussion. Die noch fehlenden Wahlprogramme machen sich bemerkbar. Dass die Teilnehmer direkten Provokationen aus dem Weg gingen, war spürbar. Gleichzeitig wurde deutlich: die diskutierten Themen konnten das Publikum nicht mobilisieren. Ob es an den vorangegangenen Osterfeiertagen lag oder die Wahlen noch zu weit weg scheint, bleibt offen.

Die Idee von Ingmar Jung, jene Kandidaten, die im September das Rennen machen, in einem Jahr noch einmal einzuladen und sie auf ihre Aussagen und Wahlversprechen des heutigen Abends anzusprechen, scheint zumindest der einzig konkrete Vorschlag des Abends zu sein.