: Digitales Klassenzimmer
Schulzentrum in Ahrensburg bekommt Lernateliers mit Computer-Arbeitsplätzen, DVD-Player und Beamer. Die dreigeteilten Großräume sollen Lust und Eigenverantwortung beim Lernen fördern
von ANNIKA NOFFKE
Kreidestaub und nasse Schwämme wird es in der Schule von Morgen nicht mehr geben. Statt auf grünen Tafeln werden SchülerInnen in der Zukunft auf der Oberfläche von elektronischen „Smart-Boards“ mit Fingern schreiben und zeichnen, das Erarbeitete abspeichern, als E-Mail verschicken oder ausdrucken. In der nächsten Schulstunde ist so der Stoff erneut abrufbar.
Diese Visionen werden im Norden von Hamburg schon bald Wirklichkeit. Ab dem nächsten Schuljahr 2004/2005 stehen dem Schulzentrum „Am Heimgarten“ im Städtchen Ahrensburg auf der Fläche von 200 Quadratmetern zwei so genannte Lernateliers zur Verfügung.
Nach dem Vorbild Schweizer Privatschulen wurden sie auf Anregung von Gymnasiumsleiter Gerhard Förderer gebaut, als Ahrensburg ohnehin für das Schulzentrum einen neuen Anbau plante. „Die Kinder werden dort Zugriff auf Printmedien, Nachschlagewerke und elektronische Medien haben“, berichtet Lehrer Förderer. Zudem werde für jede SchülerIn ein Laptop bereitstehen, um im Inter- und Intranet recherchieren zu können.
Bezahlt haben den rund 160.000 Euro teuren Bau die Stadt und Sponsoren. Die Bauarbeiten liegen in den letzten Zügen. Das Ergebnis sieht so aus: Die Lernateliers mit ihren großen Fenstern sind jeweils aufgeteilt in einen für Gruppenarbeit reservierten Teil sowie in einen Bereich, in dem sich die ganze Klasse zu Einführungen und Gesprächen trifft. Zudem gibt es eine Zone, in der die Tische weit auseinander stehen. Dieser Bereich ist für Einzelarbeit vorgesehen, die laut Förderer in normalen Unterrichtsräumen „sträflich vernachlässigt“ wird. „Dort sitzt man viel zu eng aufeinander.“
Sich mit Büchern, Heften und Laptop „richtig ausbreiten zu können“, darauf freut sich Wolfgang Günther aus der 7. Klasse des Gymnasiums am meisten. „Ich bin gespannt, wie das Arbeiten in den Lernateliers sein wird“, so der 13-Jährige, „das ist etwas ganz Neues.“ Mutter Anke Galler, deren Töchter die 6. und 7. Klasse des Gymnasiums besuchen, lobt, in den neuen Räumen könnten Kinder ihr individuelles Lerntempo wählen: „Gute Schüler werden nicht blockiert und langsamere nicht überfordert.“
Aus Sicht der Lehrer bringt das digitale Klassenzimmer einen weiteren Pluspunkt. Wenn SchülerInnen Material aus unterschiedlichen Quellen, vor allem auch im Internet, selbständig recherchieren, „werden sie sich Themen auf ihre eigene Art erschließen“, meint Lehrer Förderer. „Wenn etwa über den wirtschaftlichen Aspekt des Israel-Palästina-Konflikts gesprochen wird, und jemand möchte etwas über die Aufbereitung von Salzwasser dazu recherchieren, muss er nicht erst auf die nächste Unterrichtsstunde vertröstet werden, weil der Lehrer kein Material dazu mitgebracht hat“, bringt Förderer ein Beispiel.
Die Lernateliers erforden Unterrichtskonzepte, für die es noch keine Vorbilder gibt. Die Hauptschüler des Schulzentrums sollen in den elektronischen Klassenräumen vor allem Methoden einüben. „Präsentieren, Zuhören, in Gruppen arbeiten – das sind alles wichtige Kompetenzen für das spätere Berufsleben“, erklärt Schulleiterin Katharina Gruhne. In Projektwochen werden SchülerInnen in den Ateliers zudem lernen, Bewerbungen und Lebensläufe am Computer zu schreiben.
Die Klassen des Gymnasiums hingegen werden die neuen Räume stundenweise für den normalen Unterricht buchen. Deren Lehrer setzen verstärkt auf interdisziplinäre Gruppenarbeit: Aus Sicht unterschiedlicher Fächer sollen sich SchülerInnen in Teamarbeit Themen erschließen. „Am Schluss stellen sie eine DVD zusammen und bringen die Ergebnisse per Beamer an die Wand“, erklärt Förderer.
Auch Heiner Bock, Schulleiter der Realschule, findet die neuen „räumlichen wie sachlichen Möglichkeiten phantastisch“. Wie die Hauptschule will die Realschule das Atelier hauptsächlich für Projekte nutzen. Zunächst sollen FünftklässlerInnen dafür einen „Lernatelier-Führerschein“ erwerben. Bock erhofft sich vor allem, dass die SchülerInnen erkennen, was Lernen tatsächlich bedeutet. Bock: „Nämlich Geschichten offen gegenüber zu stehen, auch mal in Sackgassen zu laufen und sich nicht entmutigen zu lassen.“