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Archiv-Artikel

Dieses Recht gebührt dem Parlament KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH

Es wird also gewählt. Dennoch ist Deutschland jetzt nicht auf dem Weg zur „Kanzlerdemokratie“. Es ist verständlich, dass die beiden Kläger über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts enttäuscht sind. Aber man sollte dessen Bedeutung nicht überbewerten. Die Rolle des Kanzlers war im Grundgesetz schon bisher stark. Übermächtig wird sie auch durch das gestrige Urteil nicht.

Immerhin ist schon seit Helmut Kohls Wende-Manöver 1983 klar, dass der Kanzler durch eine inszenierte Vertrauensabstimmung Neuwahlen einleiten kann. Es hat immerhin 22 Jahre gedauert, bis mit Gerhard Schröder erneut ein Regierungschef von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Es ist nicht anzunehmen, dass dieser Trick künftig alle drei Jahre angewandt wird. In der Regel sind die Kanzler gerne im Amt und gehen ungern das Risiko der Abwahl ein. Der Ausgang von Schröders Neuwahl-Harakiri dürfte angesichts der drohenden SPD-Schlappe auch keine Werbeveranstaltung für potenzielle Nachahmer sein.

Kann man sich also zurücklehnen und die Debatte um taktische Vertrauensfragen abhaken? Nein, Bundestag und Bundesrat sollten die uferlosen Debatten der letzten Wochen zum Anlass nehmen, jetzt endlich die Verfassung zu ändern. Statt des Kanzlers sollte künftig der Bundestag durch einen Selbstauflösungsbeschluss Neuwahlen einleiten können. Fast jedem Landtag steht dieser Notausgang offen, und bisher ist davon äußerst maßvoll Gebrauch gemacht worden. Weimarer Verhältnisse werden so sicher nicht geschaffen.

Dagegen bringt der – nun zweifelsfrei zulässige – Weg über eine absichtlich verlorene Vertrauensabstimmung nur unnötigen Ärger mit sich. Die Bürger mögen es einfach nicht, wenn Abstimmungsniederlagen inszeniert werden, vor allem wenn man es so ungeschickt betreibt wie Rot-Grün. Der Eindruck des Getrickses und Geschiebes sorgt bei vielen für Unmut und Zweifel an der Demokratie. Und natürlich wird auch beim nächsten Mal irgendein Abgeordneter den Fall nach Karlsruhe tragen. Die Folge wäre auch dann wieder wochenlange Rechtsunsicherheit. Dieses Theater können wir uns wirklich sparen.