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Archiv-Artikel

NEU IM KINO Diese Woche frisch

Confessions

Milch für alle, verkündet die Lehrerin vor ihrer Klasse. Mit der Kampagne „Milchprodukte für Mittelschüler“ will das japanische Bildungsministerium das Bewusstsein für eine ausgewogene Ernährung stärken. Doch Jugendliche interessieren sich nicht für Nährwerttabellen, entsprechend unaufmerksam reagieren die Schüler auf die Lehrerin. Sie machen Lärm, schmeißen mit Papierkugeln und schreiben unter dem Tisch Textnachrichten. Ruhiger wird es in der Klasse erst, als Frau Moriguchi ihre Ansprache fortsetzt. Sie erzählt vom mysteriösen Unfalltod ihrer kleinen Tochter und dem Vater, einem Lehrerkollegen, der sich mit dem HI-Virus infiziert hatte. Da horcht die Klasse erstmals auf, während Frau Moriguchi ungerührt weiterspricht. Sie wisse, dass der Tod ihrer Tochter kein Unfall war, sie kenne sogar die Mörder. Die beiden säßen hier im Klassenzimmer. A und B nennt sie sie. A und B fühlten sich sicher, weil die Justiz Minderjährige nicht belangen kann. Für sie, die Mutter, gelte das jedoch nicht. Sie hat das HIV-infizierte Blut des Kindsvaters in die Milch der beiden Täter gemischt – um sie so den Wert des menschlichen Lebens zu lehren.

Mit diesem halbstündigen Monolog eröffnet Tetsuya Nakashima seinen Film „Geständnisse“ und schildert darin auch schon die soziale Dynamik unter den Jugendlichen. Die Bilder sind genauso kühl wie der Tonfall, in dem die Lehrerin ihren Plan vorträgt: Es dominiert ein bläuliches Grau, teilweise in extremer Zeitlupe gefilmt, die konkrete Gesten zu Formen zersetzt.

„Geständnisse“ ist ein perfider kleiner Horrorfilm über Flüssigkeiten und Infektionsparanoia. Das Bild von Blut, das sich langsam in Milch auflöst, gehört zu den wiederkehrenden Motiven des Films, wie eine hartnäckige Erinnerung, die sich einfach nicht verdrängen lassen will. Babylon Mitte, FSK