■ Die wahren Hüter der Pressefreiheit: Engagiert und ehrenamtlich
Ein kleines Monatsmagazin, gerade mal 16 Seiten – was kann das schon anrichten – politisch, kulturell, sozial? Mehrere hundert solcher Blätter dümpeln in vielen Regionen Europas gleichzeitig vor sich hin – und haben, trotz ihrer im Vergleich mit den „Großen“ geringen Auflage, doch erheblichen Einfluß. Und erleiden oft viel direktere Pressionen als die Großen. In einem dieser Miniblätter zu schreiben, zeugt meist von viel mehr Mut, als sich bei einem großen Blatt hinter der „Redaktionslinie“ zu verstecken.
Gerade hier tritt nun die Verantwortlichkeit des Chefredakteurs oder Herausgebers ein, und das ist keine leichte Aufgabe: Er kann, wie es oft geschieht, laissez faire spielen und einfach alle zu Wort kommen lassen, die ihm Artikel schicken. Oder aber er kann hier kritisch gegensteuern, sich zum Anwalt der Bürger machen, die Fragen stellen möchten, aber kaum einmal an die Entscheidungsträger herankommen (oder allenfalls in Wahlzeiten, wo Versprechen sowieso wohlfeil sind). Geht man den zweiten hier beschriebenen Weg und hält den Größen den Spiegel vor, beginnen sofort die Probleme.
Automatisch wird das Blatt abgestempelt – aha, der will den Bürgermeister vertreiben, aha, der möchte den Stadtrat oder den Polizeichef oder den Kulturdezernenten lächerlich machen, aha, der vertritt die Interessen hereindrängender Industrien. Das ist nicht anders als bei großen Medien, wo ja politische Ausrichtung auch allenthalben gesichtet werden kann. Nur, dort haben die Herausgeber und Chefredakteure ein weiträumiges Umfeld, sind jedenfalls keinen direkten physischen Attacken ausgesetzt.
Der Leiter eines Lokalblattes hat es da viel schwerer: Ihm begegnet der Kritisierte auf der Straße (oder er kommt, weil's ja in der Regel nicht weit ist, wutentbrannt in die Redaktion gestürmt), und wenn der schon nicht reagiert, sind es seine Freunde, die einem „freundliche Empfehlungen“ geben. Oft ein Tanz auf dem Vulkan, denn nicht selten sind wir Blattmacher ja ehrenamtliche, haben einen anderen Beruf – auf den Unbilden leicht herüberschlagen. Existenzvernichtung ist da keineswegs selten.
Trotzdem gibt es sie in großer Menge, diese Lokalblätter, immer wieder. Wahrscheinlich sind sie, zumindest noch, so etwas wie die wirkliche Bastion demokratischer Pressefreiheit. Ich jedenfalls fühle mich stets ein wenig so. Mit Stolz. Giovanni Spezzaferro
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen