■ Die spanische Regierung schweigt zum Antiterror-Skandal: Es endlich zugeben
Als er seine Ermittlungen abgeschlossen hatte, zeichnete Untersuchungsrichter Baltasar Garzon ein Schema der Struktur der GAL, jener Organisation, die in den 80er Jahren im französischen Baskenland Terror und Tod verbreitet hatte. Unten fächerten sich die zahlreichen Berufskiller und sonstigen Helfer auf, soweit bekannt, im oberen Drittel waren der Subkommissar José Amedo und sein Untergebener, Inspektor Michel Dominguez, angesiedelt. An die Spitze des Schemas, wo der Name des Auftraggebers der GAL stehen sollte, setzte Garzon ein X. Wenn es nach der Regierung Gonzalez gegangen wäre, hätte sich dieses X niemals aufgeklärt. Man müsse den Rechtsstaat auch in den Kloaken verteidigen, hatte Gonzalez einmal versichert, und damit die Linie vorgegeben.
Die Aussagen der beiden ehemaligen Polizisten, die wegen der GAL sechs Jahre im Gefängnis verbringen mußten, haben den Richter Garzon nun dem X etwas näher gebracht. Drei hohe Polizeioffiziere sitzen seit Montag wegen mutmaßlicher Gründung der GAL im Gefängnis. Die Regierung, die in den Jahren der Ermittlungen und während des Prozesses gegen die beiden alles getan hat, um Zusammenhänge und Verantwortliche zu verschleiern, schweigt. Zu hören sind allenfalls Forderungen nach Respekt für die „Opfer“, die die Antiterroristen im Kampf gegen die ETA gebracht haben.
Und mißtrauische Fragen nach den Gründen, die Garzon dazu gebracht haben, den Fall wieder aufzurollen, kurz bevor die Verjährungsfrist verstreicht, und die die beiden Polizisten bewogen haben, ausgerechnet jetzt die belastenden Aussagen zu machen, die sie während ihres Prozesses verweigert haben.
Gewiß wäre es interessant, zu erfahren, warum Amedo und Dominguez ausgerechnet jetzt die Bombe gezündet haben. Wie es auch interessant wäre, zu erfahren, was der seit einem halben Jahr flüchtige Ex-Chef der Guardia Civil, Luis Roldan, übrigens eng befreundet mit einem der jetzt Verhafteten, erzählen könnte.
Auch mag man dem Richter Garzon durchaus Gefühle intensiver Schadenfreude zutrauen – schließlich ist er erst im vergangenen Mai von seiner Tätigkeit als Antidrogenbeauftragter der Regierung frustriert zurückgetreten.
Doch im Grunde kann es hier nur um eins gehen: Daß die sozialistische Regierung endlich zugibt, was die Beteiligten ohnehin wissen: Daß sie für etwa 30 Morde verantwortlich ist, die mit öffentlichen Geldern bezahlt und organisiert wurden. Daß die Öffentlichkeit zu hören bekommt, daß auch in Spanien Staatsterror absolut und in jedem Fall unerträglich ist. Und daß Gonzalez die Konsequenzen daraus zieht. Antje Bauer
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