■ Die Anderen: Die "Sunday Times" annalysiert die Affäre um Bill Clinton als Ausdruck der US-Kultur / "La Stampa" kommentiert die Rolle von Hillary Clinton / Bigotterie entdeckt "La Repubblica" / "Le Monde" schreibt zu den Vorwürfen
Die britische „Sunday Times“ analysiert die Affäre um Bill Clinton als Ausdruck der US-Kultur: Die Amerikaner haben eine schizophrene Einstellung zu Sex. Puritanische Instinkte sind noch sehr stark. Der Tatbestand sexueller Nötigung wurde auf der anderen Seite des Atlantiks erfunden, Ehebruch ist in weiten Teilen des Landes ein Tabu, und man ist prüde gegenüber nackter Haut in der Öffentlichkeit. Doch dies ist auch das Land, das uns Marilyn Monroe, Hugh Hefner, Mae West, Jack Kennedy die sexuelle Revolution und eine riesige Pornoindustrie gebracht hat. Die Hälfte Amerikas ist sexuell befreit, während die andere eine abstoßende Strenge zur Schau stellt, die Calvin zufriedengestellt hätte.
„La Stampa“ aus Turin kommentiert die Rolle von Hillary Clinton: Mitten im wütenden Sturm überlassen der Zweite Offizier und die Mannschaft derjenigen das Steuer, die sich den Wogen entgegenzustellen weiß, weil sie einen Kurs und eine Motivation hat. Im Weißen Haus hören Schwärme von Anwälten, PR- Experten und Politstrategen in diesen Stunden auf die Anweisungen einer Person, die sich seit fünf Jahren als die gescheiteste und einflußreichste erwiesen hat: Hillary. Daß diese authentische Feministin und formidable Machtfrau sich in regelmäßigen Abständen mit den Abenteuern ihres Mannes beschäftigen muß, ist ein kleines, erträgliches Mißvergnügen. Es ist der Preis für die Macht. Und es ist auch der Preis, den Amerika dafür bezahlen muß, daß die Raserei der Medien das Land an einen Scheideweg getrieben hat: entweder die Amtsenthebung und drei Jahre Al Gore als Präsident oder die Bestätigung der amtierenden Präsidentin Clinton Hillary, die aus der x-ten Krisenbewältigung noch stärker hervorgehen und im Oval Office endlich allein sein würde.
Bigotterie entdeckt die römische „La Repubblica“: Wahrscheinlich fordern viele Ehebrecherinnen und Ehebrecher in diesen Tagen den Kopf von Bill Clinton. Die Macht fungiert noch immer als ein gigantischer Sündenbock. Sie wird geehrt, solange es nicht nützlich ist, sie zu opfern. Sie wird geopfert, um sich selbst freizusprechen und sich massenhaft zu erlösen. Das ist zweifelsohne höchst funktional – wie das Ventil des Schnellkochtopfs. Dem mächtigsten Mann der Welt wird nicht verziehen, was jeder von uns bereit ist, sich selbst und seinesgleichen zu verzeihen: die Lüge zum Schutz der eigenen Persönlichkeitssphäre.
„Le Monde“ schreibt zu den Vorwürfen gegen Clinton: Amerika ist nicht puritanisch. Es ist an einer Art Ermittlungshysterie der Justiz erkrankt. In Frankreich, wo ein Präsident ungestraft Journalisten abhören lassen konnte, mögen manche neidisch auf dieses Rechtssystem sein. Doch in den USA nimmt es absurde Formen an: eine gute, aber pervertierte Idee.
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