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Die neue Härte der BundeskanzlerinUm Merkel wird es einsam

Nachfragen nicht erlaubt: Mit dem Rauswurf ihres Umweltministers verbreitet Angela Merkel Furcht und Schrecken. Aber beruhigt die Basta-Politik das Koalitionsklima?

Ist das noch die Bundeskanzlerin oder eine Transformation zum kaltblütig freundefressenden Monster? Bild: dapd

BERLIN taz Wäre die Bundesregierung ein, sagen wir, mittelständisches Unternehmen, dann wäre das, was da am Mittwoch geschah, so was gewesen wie der Rausschmiss des Abteilungsleiters durch den Chef persönlich, und zwar vor der versammelten Belegschaft. Der Chef hieße in diesem Fall Angela Merkel, der Abteilungsleiter Norbert Röttgen. Den hat die Bundeskanzlerin am Mittwoch gefeuert.

Es ist das erste Mal, dass Merkel ein Kabinettsmitglied entlässt – mithin ein Vorgang, der illustriert, wie angespannt die Atmosphäre innerhalb der schwarz-gelben Koalition ist. Wie sehr die Kanzlerin unter dem Druck von CSU und FDP steht und wie bereit sie ist, für ihren Machterhalt selbst einen Getreuen wie Röttgen fallen zu lassen.

Nicht einmal zwei Minuten brauchte Merkel, um am Mittwoch bei einem kurzfristig anberaumten Statement den Rausschmiss von Norbert Röttgen zu erklären. Sie habe, so die Kanzlerin, dem Bundespräsidenten „gemäß Artikel 64 des Grundgesetzes vorgeschlagen, Norbert Röttgen von seinen Aufgaben als Bundesumweltminister zu entbinden und so in diesem Amt einen personellen Neuanfang möglich zu machen“.

Berlins Ringelpietz

Seit Merkels Amtsantritt 2005 haben mehrfach Unions-Minister ihren Hut nehmen müssen. Mit Norbert Röttgen wurde jedoch erstmals ein Regierungsmitglied entlassen. Alle anderen Politiker traten zurück.

Horst Seehofer wurde 2008 bayerischer Ministerpräsident und übergab sein Amt an CSU-Frau Ilse Aigner.

Michael Glos machte als CSU-Wirtschaftsminister 2009 Platz für Karl-Theodor zu Guttenberg. Begründung: sein Alter, Glos war 65 geworden.

Im zweiten Merkel-Kabinett ab 2009 war zu Guttenberg Verteidigungsminister. Wegen seiner Plagiatsaffäre musste er im März 2011 zurücktreten. Sein Ressort übernahm der CDU-Mann Thomas de Maiziere. Dessen Innenministerium wiederum bekam der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich.

Ursula von der Leyen von der CDU übernahm Jungs Arbeitsministerium. Das zuvor von ihr geführte Familienministerium bekam Kristina Schröder.

Norbert Röttgens Nachfolger im Umweltministerium wird Peter Altmaier. (AM)

Die Umsetzung der Energiewende sei ein zentrales Vorhaben dieser Legislaturperiode, sagte sie weiter. Röttgen habe zwar die Grundlage dafür gelegt, es bleibe aber noch „ein Stück Arbeit vor uns“. Sie dankte Röttgen knapp für sein Engagement. Und ab! Nachfragen nicht erlaubt.

Am Amt festgehalten

Unmittelbar vor diesem Termin sollen sich die Kanzlerin und ihr Umweltminister heftig gestritten haben. Wie die Rheinische Post berichtet, habe Merkel Röttgen am Dienstagabend zu einem Gespräch ins Kanzleramt gebeten und ihm den Rücktritt nahegelegt. Der 46-Jährige habe sein Amt aber nicht abgeben wollen. Die Zeitung schreibt, Röttgen habe Merkel vorgeworfen, ihn nicht gegen Horst Seehofer in Schutz genommen zu haben.

Der CSU-Chef hatte am Montag im ZDF heftig gegen Röttgen gewettert und die Wahlschlappe der CDU in Nordrhein-Westfalen „ein Desaster mit Ansage“ genannt. Nach einer Stunde Streit habe Angela Merkel Norbert Röttgen Bedenkzeit bis zum nächsten Morgen eingeräumt. Als sich Röttgen jedoch am Mittwoch erneut weigerte, zurückzutreten, soll Merkel ihm nach der Kabinettssitzung seine Entlassung mitgeteilt haben.

Was aussieht wie das entschlossene Handeln der Regierungschefin, könnte sich als politischer Kurzschluss mit Folgen herausstellen. Denn die Reihen der politisch Getreuen lichten sich nun sichtlich. Norbert Röttgen ist weg, seinen Job macht künftig Merkels Agitator Peter Altmaier. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist seit ihrer verpatzten Nominierung zur Bundespräsidentin vergrätzt und fuhrwerkt lustvoll im Ressort von Familienministerin Kristina Schröder herum. Die 34-Jährige braucht ohnehin eher den Schutz der Kanzlerin, als dass sie ihr eine Hilfe wäre.

Dann ist da noch Bildungsministerin Annette Schavan, die gemeinsam mit Finanzminister Wolfgang Schäuble, Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Kanzleramtsminister Roland Pofalla eine Art Verteidigungsring um die Kanzlerin bildet. Aber müssen künftig nicht auch sie fürchten, von der Chefin eiskalt abserviert zu werden?

Furcht und Schrecken

Der Bonner Politikwissenschaftler und CDU-Experte Gerd Langguth sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Eine Parteichefin, die so abrupt den Stab über einen langjährigen Mitstreiter bricht, verbreitet auf Dauer nicht Wohlgefühl und Vertrauen, sondern Furcht und Schrecken.“ Um solche Führungsfiguren werde es „irgendwann sehr einsam“.

Es ist keineswegs ausgemacht, dass Röttgens Entlassung das Koalitionsklima beruhigt. Die SPD wertet den Rauswurf als Bauernopfer, mit dem Merkel sich selbst vor Kritik schützen wolle. Röttgens Entlassung sei „ein Zeichen der Schwäche“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Und der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, forderte gar Neuwahlen.

Fürwahr, dies sind keine leichten Zeiten für die Chefin. Das Instrument der Härte hat sie mit dem öffentlichkeitswirksamen Rausschmiss ihres loyalen Mitarbeiters eindrucksvoll vorgeführt.

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13 Kommentare

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  • JK
    Juergen K.

    Jetzt wollen sie wieder (so) tun,

     

    "was gut für das Land ist".

     

    Das will kein Mensch !

     

    Hier in Deutschland nicht,

    in Europa nicht und

    im Rest der Welt auch nicht.

     

    Eben noch schnell den Rest kaputtmachen.

  • JK
    Juergen K.

    Die "Wir sind dann mal weg - Liste" hätte ich um die Landesminister aus CDU und FDP vervollständigt.

     

    Und da die CDU Länder, ganz Europa, und der Rest der Welt (also AMI LAnd) gegen Merkels Sparkurs ist,

     

    würde ich eine Volksabstimmung machen,

    darüber,

     

    ob Merkel Honneckers letzte Wohnung zugewiesen werden soll.

  • C
    Celsus

    Hinter den Kulissen werden sicher schon die Messer gegen Frau Merkel gewetzt. Was heisst dann schon Fairness oder Dankbarkeit? Heute spielt von der Leyen Kanzlerin, in dem sie in fremden Ressorts rumfuhrwerkt, obwohl sie von ihrem eigenen als Ärztin weder Ahnung hat, noch es im Griff hat.

     

    Soll die Frau doch erst einmal willig die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes umsetzen und verfassungsgemäß berechnete Hartz IV-Sätze vorlegen. Das würde von ihr auch ein Gewissen verlangen, das von der Weisheit des Grundgesetzes erleuchtet wäre. Aber auch in der Bibel steht nirgends, dass das Geld deen Reichen gegeben werden sollte, weil die es für ihre Kinder verwenden würden.

  • S
    scheipant

    Kurz vor der wahl holte Norbert Rötgen die kanzlerin (jedenfalls verbal) in sein schwer leckgeschlagenes boot "nrw-wahlkampf" als er die wahl auch zur abstimmung über Frau Merkels euro-politik machte.

     

    Dass "Margaret Merkel" - nach kurzem zaudern - dann handelte, zeigt nach aussen kraft und entschlossenheit. Sowas kommt durchaus an.

     

    Andererseits mag hinter dieser demonstrativen "tatkraft" auch die schwäche der getriebenen stecken:

     

    Eben die von Norbert Röttgen wahlkampftaktisch zitierte euro-politik fliegt Frau Merkel mit den grichischen ereignissen gerade gewaltig um die ohren.

     

    Eine spar-politik, die die menschen in obdachlosigkeit und not treibt, ist nicht menschen-gerecht.

     

    Frau Merkels härte ist die andere seite ihrer sozialen kälte, die fordert ohne aufzufangen. Einer sozialen kälte, die die menschen in der not alleine lässt (es werden banken statt menschen gerettet).

     

    Ist Frau Merkel tatkräftig, souverän, aktiv? Oder möglicherweise eine Frau, die durch überforderung ihre menschlichkeit verliert?

  • RZ
    Ralf Zimmermann

    Tja "Mutti",die Einschläge kommen näher und sie fürchtet um ihre Macht.Deshalb beginnt sie umsich zu beissen.Aber es ist ein angstbeissen aus Verzweiflung,nicht nur ihre Koalition ist gescheitert sondern ihre ganze Politik.In Deutschland und Europa...)Dieses Affentheater ist niemanden mehr zu zumuten,deshalb muß dieses Jahr noch neu gewählt werden!!!

  • W
    Wotan

    Merkel ist ein Wendehals,ihr geht es nur um die Macht

    in der BRD,hat sie ja gelernt als FDJ-Sekretärin für

    Propaganda und Agitation!Die Energiewende wird nichts

    mit Merkel,Altmaier oder Röttgen,weil man Strom immer

    braucht und sie wird sehr Teuer werden für den End-

    verbraucher,denn Politik macht Merkel nur für die

    Wirtschaft und Banken.Die Energiekonzerne lachen sich

    schon heute kaputt,wer bezahlt denn alles?Klappt es

    nicht,wandert die Industrie ab,siehe Opel,also bezahlt wohl wer mit niedrigen Löhnen und den Ausbau

    der Trassen?Die Wirtschaft bestimmt nicht!Merkel

    fährt dieses Land gegen die Wand und keiner ihrer

    Schleimer sagt was dazu,typisch DDR-Stil,nur Ja-Sager

    in der CDU!Fachkompetenz braucht es nicht,was für ein

    Zustand!

  • W
    Wolfgang

    Katholikentag in Mannheim geht weiter - Merkel kommt

     

    Oje, wen will sie denn dort feuern?

  • M
    manfred (60)

    Erst mußte Frau Merkel gegen ihren eigenen Willen den Gauck zum BP machen, weil die FDP es so wollte, jetzt mußte sie auf Druck der CSU Röttgen entlassen. Das zeugt fürwahr von Souveränität. Aber Röttgens Entlassung hat für Merkel auch etwas Gutes: Jeder bringt Röttgen und die NRW-Wahl in Zusammenhang, niemand fragt mehr nach dem Anteil der Frau Merkel am Wahldesaster. Auch eine Taktik.

  • P
    Pink

    Einsam war es immer um Merkel.

    Was macht ein Mensch, dessen Dissertation spurlos verschwunden ist ?

    Muss doch immer auf der Hut sein, wo taucht was auf ?

    Was kann ich präventiv dagegen tun ? Wer prüft diese Doktorarbeit, sollte sie mal auftauchen ?

    Fragen über Fragen.

     

    Nun, Röttgen hat vielleicht mal unter vier Augen danach gefragt, oder gar eine These aufgestellt.

    Das ist leicht vorstellbar.

  • V
    vic

    Die nächste die3 sie wegbeißt ist von der Leyen.

    Denn sie kann die CDU als Kanzlerin verkaufen. Und die Wähler sind nicht anspruchsvoll. Das weiß zumindest ich.

  • HS
    Hannes Schinder

    Alle die ihr an Monopolygeld glaubt, werdet entäuscht werden

    Und alle die an Angela Merkel glauben auch!

  • IS
    Isolde Stark

    Man muß diese Regierung und ihre Chefin nicht besonders mögen, aber Röttgen war eben gegenüber der Kanzlerin nicht loyal, als er den Wahlkampf in NRW unter dem Motto führte: 'Wenn es klappt, habe ich in NRW was Besseres als Ministerpräsident und wenn es nicht klappt, dann bleibe ich eben Bundesumweltminister.' Dabei hätte er an Renate Künast und ihrem analogen Verhalten in Berlin erkennen können, daß eine solche Haltung nicht Wähler motivierend ist. Nicht loyal war auch Röttgens versuchte Erpressung von Wählern und Merkel, wer nicht die CDU wählt, ist gegen die Politik der Kanzlerin. Merkel hat nach dem Wahldesaster öffentlich noch Contenance gewahrt. Wäre Röttgen von sich aus oder auf diskrete Aufforderung hin zurückgetreten, wäre er mit großem Lob verabschiedet worden. Während des Wahlkampfes in NRW ging es ohne ihn im Bundesumweltministerium gut weiter, und hätte er gewonnen, dann wäre er auch ersetzt worden. Ich kann mich nicht erinnern, in der taz sehr viel Positives über Röttgen gelesen zu haben. Aber Erinnerungen können bekanntlich auch täuschen.

  • S
    solala

    Sehr geehrte Frau Maier, was muß denn noch passieren, dass Sie sich wundern. Wir haben eine Kanzlerin die sich unverholen seit Beginn ihrer Amtszeit nicht über ihre Aufgaben (die sie nie zu kennen schien) sondern ausschließlich über Machterhalt definiert. Konzeptlos bis zum Schmerz räumte Sie zudem alle aus dem Weg die ihr hätten zeigen können wofür das Volk wählen geht. So dreist wie Westler es nur in übelsten Stammtischgesprächen Ossis vorwarfen Wendehälse zu sein, hat sie sich von der atombegeisterten Physikerin zum Menschen gewendet, die nun sogar angeblich für die Enrgiewende einen Ihrer getreuesten Mitkämpfer in Aus schickt. Ja, man verzeihe - ein Geschmäckle von stalinistischen Machtinstinkt kommt schon auf.

    National wie international hat sie sich durch Männerbashing einen Ruf erarbeitet, der eine so sagenhafte Blendung jedweder öffentlich Diskussion zur Folge hat, dass man sich an den Beginn der Amtszeit von Georg Bush erinnert fühlt. Was in Gottesnamen soll aus diesem Menschen Frau Merkel so besonderes sein, außer dass sie eine Frau ist und das vorführt von dem die meisten Mütter der meisten Frauen dieses Landes schon immer träumten , es allen Männer mal von oben runter so richtig zu zeigen. Ja dieses Gefühl: "Es geht" hat sie diesem Land zur Mode gemacht.

    Sie, werte Frau Maier nennen diesen Menschen am Ende Ihres Artikels noch immer huldvoll angehaucht "Chefin" und kokettieren mit Bedauernsgefühlen über ihre schwierigen Zeiten.

    Ich frage mich in welcher Zeitung ich das wohl gelesen habe?