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■ Die gesamte Elite der Anti-Korruption-Bewegung traf sich zu einem Kongress in Südafrika. Sogar die Weltbank kämpft mit und schließt inzwischen korrupte Unternehmen von Aufträgen aus  Aus Durban Kordula DoerflerNicht mehr bestechend

Er sprach, als trage er die ganze Last seines Landes auf den Schultern. In etwas holprigem Englisch sagte Lew Timofew: „Ich komme aus Russland!“ Als ob damit alles gesagt sei. Nein, nicht ganz. Russland und Korruption seien heute fast Synonyme. Beifälliges Lachen im Publikum. Das feine, provokative Lächeln des kleinen Professors aus Moskau war vielen entgangen. „Und ich stehe hier, um Korruption zu verteidigen.“

Tatsächlich war Timofew, der an einem Institut der Moskauer Universität arbeitet, auf der 9. Internationalen Anti-Korruption-Konferenz in der südafrikanischen Hafenstadt Durban, die heute zu Ende geht, so etwas wie der Advocatus Diaboli. Dabei bestritt er gar nicht, dass Russland durch und durch korrupt sei. Das wäre auch schwierig in einem Land, dem nach Schätzungen von Wladimir Bykow von der russischen Industrie- und Handelskammer zehn Milliarden US-Dollar durch Korruption verloren gegangen sind; wo es durchschnittlich 27 bis 700 Tage dauert, ein Gewerbe anzumelden; das auf dem Korruptionsindex der Veranstalter Transparency International weltweit zu den Spitzenreitern zählt. Und dennoch: Für die Nöte der Menschen, die nur auf diesem Weg überleben können, zeigte Timofew durchaus Sympathie.

Schon zu Sowjetzeiten habe es eine „produktive Korruption“ gegeben: zwar sei auch die KPdSU durch und durch korrupt gewesen. Zugleich aber habe sich ein nicht minder korrupter, aber unabhängiger Schwarzmarkt etabliert, der dazu beitrug, das System wirtschaftlich am Leben zu halten. Erst am Ende seiner Rede tat Timofew dann das Erwartete und entwickelte eine akademische Lösung: indem endlich in Russland das Recht auf Privateigentum definiert werden müsse.

Die Provokation gelang. Denn ansonsten herrschte weitgehend Konsens auf der Mammuttagung, die von der in Berlin ansässigen nichtstaatlichen Organisation Transparency international organisiert worden war: Korruption ist eines der größten Probleme der modernen Menschheit. Vor allem in den Entwicklungsländern hemmt sie die wirtschaftliche Entwicklung. Gerade dort, so fasste es Alassane Ouattara, Ex-Premier der Elfenbeinküste, zusammen, ist Korruption „die schlimmste Krankheit einer Gesellschaft“.

Allerdings ist in den letzten Jahren ein bemerkenswerter Wandel zu konstatieren. War es bis in die 90er Jahre hinein weltweit verpönt, von Korruption zu sprechen, ist das Thema heute kein Tabu mehr. Selbst die Weltbank hat sich neuerdings dem Kampf gegen Korruption verschrieben und die Konferenz in Durban unterstützt. „Vor drei Jahren war es in unserer Organisation noch unmöglich, das Wort mit „K“ überhaupt in den Mund zu nehmen“, sagt Weltbank-Präsident James Wolfensohn schmunzelnd. „Heute gibt es für uns kein wichtigeres Thema.“

Es ist vor allem Transparency zu verdanken, dass Korruption heute nicht mehr als „Dritte-Welt-Problem“ betrachtet wird. Erst, seitdem in den Industriestaaten des Nordens zugegeben wird, dass sie bei Aufträgen in den Entwicklungsländern kräftig bestechen, lässt sich ein Hebel ansetzen. Schon seit zwei Jahren etwa achtet die Weltbank bei internationalen Ausschreibungen darauf, dass nicht bestochen wird, und kann Firmen ausschließen, wenn sie gegen dieses Prinzip verstoßen.

„Wenn einmal die Tür zu Korruption geöffnet ist, wäre es schwierig für uns, weitere Forderungen abzuschlagen“, sagt etwa Robert Wilson, Vorstandsvorsitzender des Rio-Tinto-Bergbaukonzerns, bekannt für unfeine Geschäfstmethoden.

In vielen Staaten der Organisation of Economic Developement (OECD) ist solcherlei Bestechung außerdem mittlerweile strafbar. Alle 29 Mitglieder haben eine entsprechende Konvention unterzeichnet, in 16 Ländern, darunter auch Deutschland, ist sie auch ratifiziert worden. Bestechung bei Auslandaufträgen, bis vor kurzem in Deutschland sogar noch von der Steuer absetzbar, ist nicht mehr geschäftsfördernd.

Doch wo anfangen und aufhören in Ländern wie Honduras und Kamerun, Kolumbien, Indonesien und Nigeria, Tansania und Russland? Im Korruptionsindex rangieren sie am untersten Ende der Skala. „Die Krankheit“ durchdringt den letzten Winkel der Gesellschaft, Staat und Verwaltung, Militär und Polizei sind jederzeit käuflich. „3.000 Simbabwe-Dollar kostet es heute schon, eine Ermittlungsakte bei der Polizei verschwinden zu lassen“, seufzt John Makumbe, streitbarer Dozent an der Universität von Harare.

In vielen Entwicklungsländern können die Beamten nur mittels Korruption ihre Familien durchfüttern. Doch immerhin: Auch elf afrikanische Länder, darunter Mali, Tansania, Uganda, Ghana und Südafrika, haben sich jetzt erstmals einer Initiative angeschlossen, um Prinzipien zur Korruptionsbekämpfung zu erarbeiten.

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