Die erste Wahl im Netz: Blogs und Stream statt Glotze

Nie ließ sich das Drama um die US-Wahl besser online verfolgen: Große US-Sender bieten Livestreams an, wer das Ohr am Volk haben will, lauscht aber lieber Twitter und den Blogs.

Längst kein Privileg des Fernsehens mehr: Bilder vom Wahlkampf. Bild: ap

BERLIN taz Egal ob CNN, MSNBC oder die britische BBC mit ihren US-Korrespondenten: Wer am amerikanischen Wahlabend mit Originalstimmen informiert werden will, braucht keinen Fernseher mehr. Die großen englischsprachigen Medien haben in diesem Jahr ausreichend Bandbreite eingekauft, um die Welt mit ihren Live-Bildern auf dem Laufenden zu halten - was in den ersten Stunden des Rennens zwischen John McCain und Barack Obama auch hervorragend klappte.

Die gebotene Übertragungsqualität etwa bei MSNBC ist mit DSL-Anschluss sehr ordentlich - wer möchte, kann sich sogar ein Vollbild anzeigen lassen, ohne dass es zu arger Klötzchenbildung kommt. So genannte "Geofilter", die bei Unterhaltungsinhalten von Medienkonzernen üblicherweise gerne ausländische Zuseher aus US-Videoangeboten heraushalten, kommen freundlicherweise hingegen nur selten zum Einsatz.

Wer sein Ohr am Wahlvolk haben möchte, hört den Experten, Journalisten und Wahlkampfaktiven auf den Online-Angeboten der TV-Kanäle allerdings nur am Rande zu. Wesentlich spannender sind Echteindrücke von Menschen, die die Stimmabgabe gerade hinter sich haben oder gerade vor Ort sind.

Hektisches Twittern vor Ort

Bei dieser Präsidentschaftswahl gibt es ein neues Medium, das sich für solch schnelle Informationen besonders gut eignet: Der Kurznachrichtendienst Twitter, bei dem man der Welt oder auch nur einer Gruppe von Freunden in 140 Zeichen mitteilen kann, was man gerade tut, was man gerade fühlt.

Der Betreiber, eine junge Firma aus San Francisco, hat extra eine eigene Wahlseite eingerichtet, die alle relevanten Schlüsselworte aus der Twitter-Zeitleiste filtert und die aktuellen Eindrücke übersichtlich auf eine Seite bringt. Die Neuigkeiten scrollen nur so vorbei: "Go Obama, Go Go Go" schreibt einer oder "Ich bin so aufgeregt, dass ich Obama nicht mehr richtig schreiben kann". Aber auch einige McCain-Jünger mischen sich unter das eher liberal gestimmte Twitter-Publikum: "Nicht alle von uns haben den Obama-Drink geschluckt", meldet ein Nutzer.

Wem das Twitter-Gewusel zu wenig Tiefgang hat, der kann sich bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl auch mit einem anderen neuen Format in der Politikberichterstattung behelfen: Dem Live-Blog. Dabei tippt der Berichterstatter in regelmäßigen Abständen alles gerade Wissenswerte in knappen Setzen in sein Netztagebuch.

Blog plus Livestream

Die britische BBC kombiniert das in Form eines interessanten Konzepts: Oben auf der Seite folgt man dem Livestream, während unten Korrespondenten Infos liefern, aber auch Leser zu Wort kommen.

Natürlich wird auch im regulären Blog-Stil berichtet. Einen guten Anlaufpunkt bietet die Google-Blogsuche, die zahlreiche wichtige Publikationen abdeckt. Eine gute Sammlung bietet auch Cyberjournalist.net. Spezielle Angebote zur Wahl unterbreiten auch Link-Portale wie Digg.com und Reddit.com, die interessante Lesezeichen zum Thema sammeln oder wichtige Infos verbreiten.

Wer wartet, darf wählen

So war auf Reddit etwa der Hinweis ganz oben, dass man als US-Wähler unbedingt in den vielerorts auftretenden Warteschlangen bleiben müsse, um auch wirklich seine Stimme abgeben zu können. "Wenn Ihr in der Schlange steht und das Wahllokal macht zu, müssen sie Euch noch wählen lassen."

Heiß her geht es unterdessen auch auf den Homepages von John McCain und Barack Obama, die stellenweise nur im Kriechgang zu erreichen waren. Dort werden letzte Wähler mobilisiert und Informationen verbreitet, wo man sein Wahllokal findet und was man tun soll, wenn man an der Stimmabgabe gehindert wird oder sonstige Probleme hat - ein Team von Anwälten steht auf beiden Seiten bereit.

Tatsächlich dürfte das auch in diesem Jahr nicht selten vorkommen. Nie wurde in den USA öfter mit Wahlcomputern abgestimmt als in diesem Präsidentschaftswahlkampf, schon in den letzten Wochen meldeten Frühwähler vereinzelte Probleme mit den Geräten.

Über das Internet vernetzte Freiwilligenorganisationen wie "Black Box Voting" haben sich der Aufdeckung aller möglichen Ungereimtheiten verschrieben und fordern Wähler auf, alles zu notieren, was ihnen merkwürdig vorkommt und ihre Stimmabgabe notfalls zu filmen. Das Video können sie dann gleich ins Internet stellen.

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