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Archiv-Artikel

Die eigene Agenda

Warum Proteste gegen die Institution G-8-Gipfel nötig und sinnvoll sind

Gehören auch Sie zu den G-8-Kritikern, die jedes Flugblatt aufsammeln, um beim nächsten Gespräch auch ja die richtigen Argumente parat zu haben? Hören Sie damit auf. Christine Buchholz von der WASG und die Linksfraktion-Bundestagsabgeordnete Katja Kipping haben das bereits erledigt.

„G 8 – Gipfel der Ungerechtigkeit“ heißt der Sammelband, den die beiden herausgegeben haben. Genau genommen handelt es sich um eine Flugblattsammlung in Buchform. 34 AktivistInnen nennen ihre Gründe, warum sie in der ersten Juniwoche auf die Straße gehen werden. „Wir meinen, acht Regierungschefs haben nicht das Recht, über das Schicksal von sechs Milliarden Menschen zu bestimmen“, versuchen die beiden Verfasserinnen die Beiträge auf einen Nenner zu bringen.

Doch leider gelingt ihnen das nicht so ganz. Obwohl sich alle AutorInnen darum bemühen, das große G mit der Ziffer 8 mindestens einmal zu erwähnen, fragt man sich, was die Rechtfertigung der inzwischen nicht mehr aktuellen Regierungsbeteiligung der PDS in Mecklenburg-Vorpommern mit der Schuldenpolitik des Pariser Clubs zu tun hat. Zwar finden sich in dem Buch durchaus interessante Beiträge zu „Petroimperialismus“ oder „Prekarisierung“. Und auch das Grußwort des venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez über seine Art, die US-Regierung zu piesacken, hat gewissen Unterhaltungswert. Doch spätestens wenn Buchholz für die Fusion von PDS und WASG wirbt, fragt sich, was das alles mit dem G-8-Gipfel zu tun hat.

Und so liest sich das Inhaltsverzeichnis wie eine Inventurliste eines Antiquariats. So ziemlich alle Themen werden aufgegriffen, mit denen sich die bundesrepublikanische Linke in den vergangenen Jahren beschäftigt hat. Es geht um Krieg, Privatisierung, um Abbau von demokratischen Rechten, um Bildung und Patentrechte. Themen, die auf dem diesjährigen G-8-Gipfel tatsächlich verhandelt werden sollen, bleiben hingegen unberührt: Afrikapolitik und Klimaschutz. Obwohl viele Umweltbewegte am G-8-Widerstand beteiligt sind, kommt kein Umweltschutzaktivist zu Wort. Schade.

Was das Sammelband nicht schafft, gelingt Attac-Mitbegründer Peter Wahl umso besser: „G 8: PR-Show oder Weltregierung?“, fragt er und liefert auf 96 Seiten einen hervorragenden Katalog an Argumenten für den G-8-Protest. So schwierig es ist, den Gipfel auf wenige Themen zuzuspitzen, weil das Agendasetting der Regierungschefs ja ebenfalls beliebig ausfällt und oft in letzter Sekunde noch verändert wird – Wahl zeigt, dass es ausreicht, die „Institution G 8“ an sich ins Visier zu nehmen. Unter welchen Vorzeichen ist der G-8-Gipfel 1975 im französischen Rambouillet entstanden? Was macht den „Club der Reichen“ so elitär und damit auch so undemokratisch? Der Attac-Vordenker beschreibt, wie aus dem Ansinnen einer anfangs eher keynesianisch geprägten Weltwirtschaftspolitik das jährliche Treffen zum „Triumphzug des Neoliberalismus“ wurde. Die jüngere Geschichte des Protests gegen den Gipfel hingegen zeigt, dass es durchaus Kräfte gibt, die der Tina-Doktrin (There is no Alternative) Kontra geben. Wahls Buch ist übersichtlich und verständlich geschrieben: ein Standardwerk, weit über Heiligendamm hinaus. FELIX LEE

Christine Buchholz, Katja Kipping (Hrsg.): „G 8 – Gipfel der Ungerechtigkeit“. VSA-Verlag, Hamburg 2006, 174 Seiten, 11,80 Euro Peter Wahl: „G 8: PR-Show oder Weltregierung?“ AttacBasis-Texte 21, VSA, Hamburg 2006, 96 Seiten, 6,50 Euro