Die digitale Privatsphäre : KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH
Karlsruhe ist die Stadt der Grundrechte. Meist steht das Bundesverfassungsgericht im Blickpunkt. Doch gestern war es der Bundesgerichtshof, der sich um den Schutz der Privatsphäre und die Demokratie verdient gemacht hat. Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage darf die Polizei nicht via Internet auf private Computer zugreifen. Der Einsatz von Spionage-Software muss deshalb sofort gestoppt werden.
Erfreulich daran ist, dass die richterliche Kontrolle der Polizei auch bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen durchaus funktionieren kann. Ohne dass es einer Klage des Betroffenen bedurfte – der von der geplanten Maßnahme ja bis heute nichts weiß –, hat der BGH die Genehmigung verweigert. Im Ergebnis nutzt die Entscheidung wohl mehr der Demokratie als den Bürgerrechten. Denn sie stellt sicher, dass völlig neue Ermittlungsmethoden nur vom Parlament eingeführt werden können – und nicht einfach von der Polizei. Die logische Folge kann dann aber sein, dass der Bundestag alsbald von seiner Kompetenz Gebrauch macht und eine neue Rechtsgrundlage für das heimliche Ausspähen der Computer schafft.
Danach sieht es jetzt auch aus. Die gestrige BGH-Entscheidung bringt also für die private Computer-Festplatte nur eine Schonfrist.
Bei einer Neuregelung sollte dann nicht lange über den Verlust an Privatsphäre geklagt werden. Denn bei Lichte betrachtet war der Computer auch bisher nicht tabu. Die Polizei konnte ihn im Rahmen einer Hausdurchsuchung mitnehmen oder zumindest die Festplatte kopieren. Vorbereiten konnte sich darauf auch niemand – denn eine Hausdurchsuchung erfolgt nun einmal ohne vorherige Anmeldung.
Wichtig ist aber, klare Grenzen festzulegen. Ein Computer ist heute oft eine Mischung aus ausgelagertem Gedächtnis und digitalem Tagebuch. Hier muss es Bereiche geben, die in aller Regel vor dem Zugriff der Polizei sicher bleiben. Vielleicht sollte es sogar absolute Tabuzonen geben.
Diese sollten dann aber auch für handschriftliche Tagebücher gelten, auf die die Polizei trotz Garantie der Menschenwürde bei schwersten Straftaten bisher zugreifen darf. Und das schon seit zwanzig Jahren.