: Die aus dem Osten
Polens Nationalteam ist erstmals bei einer Europameisterschaft dabei. Aber als Außenseiterinnen reisen die Gegnerinnen des DFB-Teams nicht an. Es gibt den Star Ewa Pajor, und es gibt ein kompaktes Team um sie herum
Aus Bern Johannes Kopp
Es war fast ein wenig kitschig. An dem Tag, an dem Polens Fußballerinnen der große Durchbruch in Wien gelang, feierte die alle überragende Ausnahmespielerin Ewa Pajor auch noch ihren 28. Geburtstag. Es war der 3. Dezember 2024, und die Polinnen hatten sich erstmals in ihrer Geschichte für eine Europameisterschaft qualifiziert. Den alles entscheidenden Treffer in den Playoffs gegen Österreich erzielte in der Nachspielzeit natürlich Pajor. Die Weltklassefußballerin hat im Nationaldress fast so häufig getroffen (68 Mal) wie alle anderen für die EM nominierten Spielerinnen zusammen.
Aktuell befindet sie sich wieder in bester Verfassung. Ihre Saisonbilanz beim FC Barcelona, der in den letzten Jahren den europäischen Fußball dominiert hat, kann sich sehen lassen. In 28 Spielen gelangen ihr 25 Tore und 10 Assists.
In der Vergangenheit gab es die verständliche Neigung, wenn die Rede auf das polnische Team kam, ausschließlich über Ewa Pajor zu sprechen. Aber das wird der fortschreitenden Entwicklung des Teams nicht gerecht. Dass sich deshalb Polen, anders als zuvor, für die EM qualifizieren wird, war für die Spielerinnen offenbar die größte Selbstverständlichkeit auf der Welt.
So erzählte es jedenfalls die Innenverteidigerin Oliwia Woś, die vergangene Saison für den FC Basel spielte und nun zum Bundesligaaufsteiger 1. FC Nürnberg wechselt, dem Schweizer Fernsehen. „Jeder wusste, dass wir das schaffen, und das fand ich krass. Denn das hat man gefühlt.“ Die kollektive Kraft der Polinnen ist also nicht zu unterschätzen. Wobei auch Woś keinesfalls den großen Anteil von Ewa Pajor an der ersten EM-Qualifikation unter den Tisch fallen lassen wollte. Pajor, sagte sie, habe eine solche Aura. „Dadurch hat sie alle besser gemacht.“
Das Vertrauen in die eigenen Stärken könnte den Polinnen beim EM-Auftaktspiel am Freitag (21 Uhr) gegen die hoch favorisierten Deutschen von Nutzen sein. Dass Polen als einziger Vertreter Osteuropas bei diesem Turnier mitmischt, ist ein Ergebnis langjähriger Bemühungen. Der Gewinn der U17-EM im Jahr 2013 – natürlich mit Pajor– deutete erstmals die polnische Wettbewerbsfähigkeit auf Spitzenniveau an. Aber auch andere Spielerinnen aus dem heutigen EM-Kader wie Paulina Dudek, Sylwia Matysik und Ewelina Kamczyk waren damals schon dabei.
Über die Fähigkeiten des polnischen Teams muss Bundestrainer Christian Wück seinen Spielerinnen vermutlich wenig erzählen. Woś eingerechnet stehen sieben Profis bei einem Bundesligaklub unter Vertrag. Aber auch in der spanischen und französischen Liga verstärkt man sich zunehmend mit Spielerinnen aus Polen. Die 19-jährige Emilia Szymczak, die noch bei der Zweitvertretung des FC Barcelona aufgebaut wird, gilt als großes Talent, das in Bälde auf höchstem internationalen Niveau zum Einsatz kommen wird.
Vergleichsweise jung ist auch die 39-jährige Trainerin Nina Patalon, die aber über reichlich Erfahrungen im Juniorinnenbereich verfügt und davon nun schon seit vier Jahren bei ihrer Arbeit fürs polnische Nationalteam profitiert. Sie hat sich auch als Antreiberin für verbesserte Strukturen im Verband verdient gemacht. Im Jahr 2022 bekam die Frauen im polnischen Fußballverband erstmals eine eigene Abteilung.
Oliwia Woś über polnisches Selbstvertrauen
Kleinen Mädchen in Polen ein Vorbild zu sein, sagt Oliwia Woś, dafür würde sie Fußball spielen. Bei der EM-Premiere werden im eigenen Land so viele Augen wie noch nie auf das eigene Team gerichtet sein. Trainerin Patalon ist zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass diese Veranstaltung einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Spielerkarrieren und die Popularisierung des Frauenfußballs haben wird.“
Der polnische Fußballverband will mit seiner Bewerbung für die Ausrichtung der EM 2029 die positive Entwicklung weiter vorantreiben. Die Aussichten sind gewiss nicht schlecht. Der Uefa kann man ein Interesse unterstellen, endlich einmal größere Spuren in Osteuropa zu hinterlassen.
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